Richter

»Zu jener Zeit gab es keinen König in Israel; jeder tat, was recht war in seinen Augen« (21,25). Israels Versäumnis, die Völker des Landes zu vertreiben, wie Gott es ihnen geboten hatte, führte zu genau dem Resultat, das Gott vorhergesagt hatte (Jos 1,27–2,4). Die kanaanitischen Völker waren Israel ein Dorn im Auge und das Land befand sich in einem Zustand permanenter Unruhe. Zwischendurch gab es immer wieder Perioden, in denen Israel in seiner Verzweiflung zum Herrn um Vergebung und Befreiung schrie und auch seine Sünde bekannte. Jedes Mal sandte Gott einzigartige und auserwählte Führer (Richter), um Israel zu befreien (2,16-19). Der hebr. Titel des Buches bedeutet »Befreier« oder »Retter«. Das Buch berichtet über die Leben von zwölf von Gott auserwählten Führern. Autor und Abfassungszeit Wahrscheinlich von Daniel geschrieben ca. 1043 bis 1004 v. Chr. Das Buch erwähnt keinen Verfasser, aber die jüdische Tradition bestimmt Samuel als Autor. Samuel kam zur Welt, als die Zeit der Richter sich dem Ende zuneigte. Seinen Tod datiert man in die Anfangsjahre der frühen Zeit der Könige Israels. Im Buch enthaltene Angaben deuten darauf hin, dass der Verfasser zumindest ein Zeitgenosse Samuels gewesen sein muss, der zu der Zeit lebte, als diese Ereignisse stattfanden, und der die Zeitgeschehnisse persönlich zusammengefasst haben könnte. Einerseits erlebte er die ersten Könige Israels, andererseits hält er fest, dass Jerusalem sich nach wie vor in der Hand der Jebusiter befand. Vergleicht man Ri 1,21 mit 2Sam 5,6-7 kommt man zu dem Schluss, dass das Buch Richter in der Zeit zwischen Sauls Aufstieg zur Königsherrschaft 1043 v. Chr. und der Eroberung Jerusalems durch David 1004 v. Chr. verfasst wurde. Schlüsselpersonen im Buch Richter Otniel

– erster Richter Israels; besiegte den mächtigen König Mesopotamiens; brachte Israel 40 Jahre Frieden (1,13-14; 3,7-11)

Ehud – zweiter Richter Israels; brachte Israel 80 Jahre Frieden, indem er die Moabiter besiegte (3,15-31)

Debora – Prophetin und die einzige weibliche Richterin in Israel; als 4. Richterin war sie die Nachfolgerin Samgars (4,4-16; 5)

Gideon – Israels fünfter König; zerstörte die midianitische Armee (6–8)

Abimelech – Gideons niederträchtiger und schändlicher Sohn, der sich selbst zum König über Israel machte; ermordete 69 seiner Halbbrüder (8,31–9,57)

Jephta – Richter Israels und Eroberer der Ammoniter (11,1–12,7)

Simson – ein Gott hingegebener Nasiräer von Geburt an; ein Richter Israels, der den Auftrag hatte, die Philister zu erobern (13,24–16,31)

Delila – Simsons Geliebte, die ihn für Geld an die Philister auslieferte (16,4-21)

Hintergrund und Umfeld

Das Buch Richter bildet eine tragische Fortsetzung von Josua. Im Buch Josua war der grösste Teil des Volkes Gott gehorsam bei der Eroberung des Landes. Im Buch Richter waren sie ungehorsam, götzendienerisch und mussten viele Niederlagen hinnehmen. Richter 1,1–3,6 handelt von den letzten Tagen des Buches Josua. Der Bericht schildert sieben verschiedene Phasen, in denen Israel sich vom Herrn abwandte und eine sehr bewegte Zeit mit ihm durchlebte. Es gibt offensichtlich fünf Hauptgründe für diese Phasen des moralischen und geistlichen Niedergangs Israels:

Ihr Ungehorsam, die Kanaaniter aus dem Land zu vertreiben (1,19.21.35)

Götzendienst, indem sie die lokalen Götzen verehrten (2,12)

Mischehen, mit den gottlosen Kanaanitern entgegen den Anordnungen Gottes (3,1-6)

Missachtung der Richter (2,17)

Das Abwenden von Gott nach dem Tod der Richter (2,19).

Die sieben Phasen verdeutlichen auch Gottes wiederholtes Eingreifen im Leben Israels in Form einer vierteiligen Abfolge:

Israel wendet sich von Gott ab.

Gott züchtigt Israel, indem er militärische Niederlagen und ihre Unterwerfung zulässt.

Israel bittet Gott um Rettung und

Gott gibt »Richter«, entweder zivile Richter oder örtliche Heerführer, die das Volk anführten, um sich ihrer Unterdrücker zu entledigen.

Schlüssellehren im Buch Richter

Gottes Gnade in der Erlösung Israels (2,16.18-19; 5Mo 30,3; Jos 1,5; Ps 106,43-45; Lk 1,50; Röm 11,30-32; 2Kor 1,3; Eph 2,4)

Israels Abfall (3,7; 4,1; 6,1; 8,33; 10,6; 13,1; 21,25; 4Mo 31,1-3; 5Mo 32,18; 1Sam 12,9; 1Kö 11,33; Jes 1,4; Hes 6,11-14; Joh 3,18-21; Röm 7,5-6; Kol 3,25; Tit 3,3)

Gottes Wesen im Buch Richter

Gott ist gerecht – 5,11

Gott ist zornig – 9,56

Christus im Buch Richter


Das Buch Richter berichtet über sieben Phasen des Abfalls und der Rebellion des Volkes Israel. Während jeder dieser Phasen treten Richter als Erlöser und Retter für das gefallene Volk in Aktion. Die Richter veranschaulichen Christus als den endgültigen Retter und König seines Volkes (Lk 2,11; Joh 4,42; Mk 15,2).

Schlüsselworte im Buch Richter

Richter: Hebräisch shaphat – 2,16.18; 10,2; 11,27; 12,9.11; 15,20; 16,31– bedeutet »befreien« oder »herrschen, regieren«. Die Verantwortungsbereiche der Richter Israels waren sehr vielfältig. Wie ihre modernen Gegenstücke, mussten die atl. Richter bei Auseinandersetzungen Entscheidungen treffen und Urteile fällen (2Mo 18,16). Die Richter waren auch involviert bei der Durchsetzung ihrer Urteilssprüche, sei es bei der Rechtfertigung der Gerechten (Ps 26,1) oder der Zerstörung der Bösen und Niederträchtigen (2Mo 7,3). Viele Richter waren auch von Gott eingesetzte militärische Führer, die, gestärkt durch den Heiligen Geist (6,34; 15,14), Israels Unterdrücker bekämpften und das Volk so erlösten. Später übernahmen Israels Könige die Funktion der Richter (1Sam 8,5). Letztendlich hat Israel aber nur einen wirklichen Richter: Gott. Er allein ist in der Lage, die Gottlosen zu richten und die Gerechten zu befreien, ohne dass ihm dabei auch nur der geringste Fehler unterlaufen würde (Jes 11,4).

Rätsel: Hebräisch chidah – 14,12-19 – bedeutet »ein rätselhafter Ausspruch«. Bei Simsons Geschichte wird ein Rätsel in Gestalt eines geistlichen Kräftemessens benutzt. In den Sprüchen werden Rätsel im Zusammenhang mit Weisheit erwähnt (Spr 1,6). Das Hebräische benutzt auch dasselbe Wort, um zu beschreiben, wie die Königin von Saba Salomons Weisheit auf die Probe stellte (1Kö 10,1; 2Chr 9,1). Bei der Konfrontation zwischen Gott und Miriam und Aaron sagt Gott von sich, dass er »im Traum« (dasselbe hebr. Wort) zu den Propheten redet, mit Mose aber von Angesicht zu Angesicht (4Mo 12,6-8). Vielleicht spielte der Apostel Paulus darauf an, als er die Korinther ermahnte, indem er ihnen erklärte »Und wenn ich Prophezeiung habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiss, und wenn ich allen Glauben habe, so dass ich Berge versetze, aber nicht Liebe habe, so bin ich nichts« (1Kor 13,2).

Gliederung

Einleitung und Zusammenfassung – Israels Ungehorsam (1,1–3,6)

  • Unvollständiger Sieg über die Kanaaniter (1,1-36)
  • Israels Niedergang und Gericht (2,1 – 3,6)

Eine selektive Geschichte der Richter – Israels Befreiung (3,7 – 16,31)

  • 1. Zeitspanne: Otniel gegen die Mesopotamier (3,7-11)
  • 2. Zeitspanne: Ehud und Samgar gegen die Moabiter (3,12-31)
  • 3. Zeitspanne: Debora gegen die Kanaaniter (4,1 – 5,31)
  • 4. Zeitspanne: Gideon gegen die Midianiter (6,1 – 8,32)
  • 5. Zeitspanne: Tola und Jair gegen Abimelechs Auswirkungen (8,33 – 10,5)
  • 6. Zeitspanne: Jephta, Ibzan, Elon und Abdon gegen die Philister und Ammoniter (10,6 – 12,15)
  • 7. Zeitspanne: Simson gegen die Philister (13,1 – 16,31)

Epilog – Israels Verfall (17,1 – 21,25)

  • Der Götzendienst Michas und der Daniter (17,1 – 18,31)
  • Die Gräueltat von Gibea und der Krieg gegen Benjamin (19,1 – 21,25)

Zur gleichen Zeit an einem anderen Ort auf der Erde …

China führt die Prohibition ein und die Herstellung von Seide wird vorangetrieben, so dass sie für die chinesische Wirtschaft zu einem tragenden Faktor wird.

Häufig auftauchende Fragen

1. Bei Männern wie Gideon, Jephta und Simson scheinen sich Erfolg und Misserfolg die Waage zu halten. Warum benutzt Gott Führer mit solch offensichtlichen Schwächen?

Grundsätzlich gilt es zu begreifen, dass, wann auch immer Gott sich entschliesst, Männer zu gebrauchen, es immer Männer sein werden, die mit offensichtlichen Schwächen behaftet sind. In diesem Fall gibt es keine Ausnahme zur Regel. Fakt ist, dass Gott Leute einsetzte, um seinen Plan zu verwirklichen, obwohl sie Schwächen aufwiesen.

Heisst das, dass die Sünden eines Führers einfach übersehen werden? Natürlich nicht! Die Führer werden sogar ein strengeres Urteil empfangen, weil ihnen grosse Verantwortung übertragen ist. Schau dir z.B. Mose an; ein ungehaltener Gefühlsausbruch führte dazu, dass er nicht in das verheissene Land eingehen durfte (4Mo 20,10; 5Mo 3,24-27). Jephta liess sich zu einem überstürzten Schwur hinreissen und seine Tochter bekam die Konsequenzen zu spüren (Ri 11,29-40). Wenn wir diese Diener Gottes vor uns sehen, sollten wir unser Augenmerk nicht so sehr auf ihre Schwächen oder die grossartigen Dinge, die Gott durch sie bewirkte, richten, sondern viel mehr darauf, dass sie Gott trotz ihrer Schwächen treu blieben.

2. Welchen Gewinn können wir aus dem Studium des Richterbuches ziehen?

Gottes Wort entfaltet ein reiches Panorama menschlicher Erfahrungen für uns. Auch wenn die Welt einige oberflächliche Veränderungen durchmacht, so bleiben ihre Bewohner im Kern doch dieselben. Wenn wir das Leben der Richter betrachten, erkennen wir uns selbst darin. Wir teilen ihre Erfahrungen im Bezug auf Siege, Niederlagen, Fehler und richtig getroffene Entscheidungen. Daran hat sich durch die Jahrhunderte hindurch nichts verändert. Unsere Aufmerksamkeit soll dadurch auf Gott gerichtet werden, der in ihrem Leben aktiv war. Von je her liegt hier ein stiller Aufruf an die nachfolgenden Generationen verborgen: Würden wir unser Leben tagtäglich im kühnen Vertrauen auf Gott leben, dann würden auch wir Gottes unmittelbare Gegenwart, die das Leben dieser Männer bestimmte, jeden Tag neu erfahren.

Kurzstudium zum Buch Richter/einige Fragen

  • Wer waren die zwölf in diesem Buch aufgeführten Richter? Sie standen alle in einer Führungsposition. Wie gut erfüllten sie ihre Aufgabe?
  • Welcher Richter ist es am meisten Wert, nachgeahmt zu werden?
  • Welche Anzeichen für die mangelnde Hingabe an Gott und erkennen wir im Leben der Israeliten? Wie äusserte sich ihre Kompromissbereitschaft gegenüber den benachbarten Kulturen?
  • Warum hat Gott sie immer wieder errettet?
  • Wie lässt sich der letzte Vers im Buch Richter auf unsere Zeit übertragen oder anwenden? »Zu jener Zeit gab es keinen König in Israel; jeder tat, was recht war in seinen Augen« (Ri 21,25).
Fortsetzung: Ruth

Datum: 10.06.2007
Autor: John MacArthur
Quelle: Basisinformationen zur Bibel

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