Jeremia

Jeremias Leben war so voll Sorgen und Konflikten, dass er lange unter dem Namen »der weinende Prophet« bekannt war.Wer sich ernsthaft dafür interessiert, was ein Leben als Prophet alles umfasst, der muss das Buch Jeremia lesen. Seine Autobiografie vermittelt mehr intime Eindrücke, als das bei irgendeinem anderen Propheten der Fall ist. Seine Berichterstattung schliesst nicht nur die Details seines Dienstes und die Reaktionen ein, die er erhielt, sondern er erzählt uns auch von den Schwierigkeiten, die er durchmachte, der Ablehnung, die ihm ins Gesicht schlug und dem Zorn, den er fühlte. Sein Name bedeutet »Jahwe möge aufrichten«, im Sinne der Errichtung eines Fundaments, oder »Jahwe gründet, ernennt oder sendet«. Autor und Abfassungszeit Verfasst von Jeremia während seines Dienstes ca. 627 bis 570 v. Chr.Jeremia erfüllte zwei Dienste während seines Lebens: Er war Priester und Prophet. Sein Heimatort war das kleine Dorf Anatot (1,1). Er war nie verheiratet. Gott wies ihn an, sein Zölibat als eine Gegenstandslektion einzusetzen, um die auf Juda zukommenden hoffnungslosen Tage zu veranschaulichen. Schlüsselpersonen im Buch JeremiaKönig Josia

– sechzehnter König des südlichen Königreichs Juda; versuchte Gott nachzufolgen (1,1-3; 22,11.18)

König Joahas – gottloser Sohn Josias und siebzehnter König des südlichen Königreiches Juda (22,9-11)

König Jojakim – gottloser Sohn Josias und achtzehnter König des südlichen Königreiches Juda (22,18-23; 25,1-38; 26,1-24; 27,1-11; 35,1-19; 36,1-32)

König Jojachin – gottloser Sohn Jojakims und neunzehnter König des südlichen Königreiches Juda (13,18-27; 22,24-30)

König Zedekia – gottloser Onkel Jojachins und zwanzigster König des südlichen Königreiches Juda (21,1-14; 24,8-10; 27,12-22; 32,1-5; 34,1-22; 37,1-21; 38,1-28; 51,59-64)

Baruch – diente Jeremia als Schreiber (32,12-16; 36,4-32; 43,3 – 45,4)

Ebed-Melech – äthiopischer Hofbeamter, der Gott fürchtete und Jeremia half (38,7 – 39,16)

König Nebukadnezar – grösster König Babylons; führte das Volk Judas in die Gefangenschaft (21 – 52)

Die Rechabiter – gehorsame Nachkommen Jonadabs; das pure Gegenteil des ungehorsamen Volks Israel (35,1-19)

Hintergrund und Umfeld

Hintergrunddetails über Jeremias Zeit finden sich in 2Kö 22–25 und 2Chr 34–36. Jeremias Botschaften zeichnen Bilder von: 1) Der Sünde seines Volkes; 2) dem von Gott gesandten Invasor; 3) den Unbilden der Belagerung und 4) der katastrophaler Zerstörung. Jeremias Botschaft des bevorstehenden Gerichts über den Götzendienst und andere Sünden wurde über eine Zeit von 40 Jahren gepredigt. Seine Prophezeiungen ereigneten sich während der Regierungszeit der letzten 5 Könige Judas: Josia (640-609 v. Chr.), Joahas (609 v. Chr.), Jojakim (609-598 v. Chr.), Jojachin (598-597 v. Chr.) und Zedekia (597-586 v. Chr.).

Der geistliche Zustand Judas war von offensichtlicher Götzenverehrung gekennzeichnet. König Ahas, der lange vor Jeremia (ca. 100 Jahre) seinem Sohn Hiskia in den Tagen Jesajas voranging, hatte ein System eingeführt, das Kinderopfer vorsah. Hiskia führte Reformen und Säuberungen durch, aber sein Sohn Manasse nahm die Kinderopfer zusammen mit unmässigem Götzendienst wieder auf, was bis zur Zeit Jeremias Fortbestand hatte. Josias Reformen, die ihren Höhepunkt 622 v. Chr. erreichten, boten den schlimmsten Praktiken äusserlich Einhalt, aber das tödliche Krebsgeschwür der Sünde sass tief und breitete sich nach einer oberflächlichen Erweckung schnell wieder aus. Religiöse Falschheit, Unehrlichkeit, Ehebruch, Unrecht, Unterdrückung der Hilflosen und Verleumdung waren die Norm, nicht die Ausnahme. Jeremias Schriften richteten eigentlich nichts Bedeutendes aus. In diesem Sinne war er lediglich ein Beobachter und Berichterstatter seiner Zeit.

Zur Zeit Jeremias fanden bedeutungsvolle politische Ereignisse statt. Assyrien sah seine Macht allmählich schwinden. Assyrien wurde so schwach, dass seine scheinbar uneinnehmbare Hauptstadt, Ninive, 612 v. Chr. zerstört wurde. Das neobabylonische Imperium unter Nabopolassar (625-605 v. Chr.) gewann die militärische Oberherrschaft durch Siege gegen Assyrien (612 .v. Chr.), Ägypten (609-605 v. Chr.) und gegen Israel (605 v. Chr., vgl. Dan 1; 597 .v. Chr., vgl. 2Kö 24,10-16; und 586 v. Chr., vgl. Jer 39; 40; 52).

Jeremia fand sich selten in der Rolle des einsamen Propheten. Sein Dienst schloss an die gellenden Warnungen Joels und Michas an. Seine frühen Zeitgenossen waren Habakkuk und Zephania. Gegen Ende seines Lebens waren auch Hesekiel und Daniel bereits aktiv und verrichteten ihren Dienst für Gott an seinem verstreuten Volk.

Schlüssellehren im Buch Jeremia

Sünde – Israels Sünde erforderte Bestrafung von Gott (2,1-13; 23 – 37; 5,1-6; 7,16-34; 11,1-17; 17,1-4; 18,1-17; 23,9-40; 2Mo 23,33; 5Mo 9,16; 1Kö 11,39; Esr 6,17; Hi 1,22; Ps 5,5; Mi 3,8; Mt 5,30; Lk 17,1; Röm 1,29;

Gericht/Bestrafung – (4,3-18; 9,2-25; 12,14-17; 15,1-9; 16,5-13; 19,1-15; 24,8-10; 25,1-38; 39,1-10; 44,1-30; 46,1 – 51,14; 2Mo 12,12; Ps 1,5; Hos 5,1; Am 4,12; Joh 12,31-32; Röm 14,10; 2Th 1,7-10)

Wiederherstellung Israels – (23,3-8; 30–33; 5Mo 30,1-5; Ps 71,20-21; Jes 49,6; Nah 2,2; Apg 1,6-8; 1Pt 5,10)

Gottes Wesen im Buch Jeremia

Gott füllt die Himmel und die Erde – 23,24

Gott ist gut – 31,12.14; 33,9.11

Gott ist heilig – 23,9

Gott ist gerecht – 9,23; 32,19; 50,7

Gott ist freundlich – 31,3

Gott ist langmütig – 15,15; 44,22

Gott ist liebend – 31,3

Gott ist barmherzig – 3,12; 33,11

Gott ist allgegenwärtig – 23,23

Gott ist mächtig – 5,22; 10,12; 20,11; 37,27

Gott hält seine Versprechen – 31,33; 33,14

Gott ist rechtschaffen – 9,25; 12,1

Gott ist souverän – 5,22.24; 7,1-15; 10,12-16; 14,22; 17,5-10; 18,5-10; 25,15-38; 27,5-8; 31,1-3; 42,1-22; 51,15-19

Gott ist treu – 10,10

Gott ist einzigartig –10,6

Gott ist weise – 10,7.12; 32,19

Gott ist zornig – 3,12-13; 4,8; 7,19-20; 10,10; 18,7-8; 30,11; 31,18-20; 44,3

Christus im Buch Jeremia

Das Bild Christi wird quasi in die Prophezeiungen Jeremias eingewoben. Christus, die »Quelle lebendigen Wassers« bildet einen starken Kontrast zu dem Gericht, das über die unbussfertige Nation Juda ausgegossen wird. Jeremia stellt Christus auch als »Balsam in Gilead« (8,22), den guten Hirten (23,4), »einen rechtschaffenen Spross« (23,5), »den Herrn, unsere Gerechtigkeit« (23,6) und König David (30,9) dar.

Schlüsselworte im Buch Jeremia

Heilen: Hebräisch rapha´ – 3,22; 6,14; 8,11; 15,18; 17,14; 30,17; 51,8 – beschreibt eigentlich die Arbeit eines Arztes. Selten bezieht es sich auf tote Materie und bedeutet dann reparieren (1Kö 18,30). Normalerweise vermittelt das Wort aber den Vorgang des Wiederherstellens, etwas in den normalen Zustand zurückversetzen wie in 2Chr 7,14, wo Gott verheisst, das Land wiederherzustellen, wenn sein Volk betet. In den Psalmen wird Gott oft gepriesen, weil er Krankheiten heilt (Ps 147,3), er heilt auch die Seele und hält Rettung bereit (Ps 30,3; 107,20). Jesaja erklärte, das Gottes Volk durch die Opferwunden seines Sohnes geheilt werden wird (Jes 53,5-12).

Hirte: Hebräisch ro´ah – 6,3; 23,4; 31,10; 43,12; 49,19; 50,44; 51,23 – bezieht sich auf jemanden, der Haustiere füttert und sie versorgt. David nannte Gott seinen guten Hirten, weil er ihn versorgte, aufrecht hielt und führte (Ps 23). Auch Könige und andere Führer sah man als Hirten an. Im altertümlichen Mittleren Osten trugen Könige oft den Titel »Hirte«. David war ein echter Hirten-König, der seine Verantwortung wahrnahm indem er seinem Volk gut vorstand und es führte (2Sam 5,1-2). Jeremia ermahnte die Führer Israels, weil sie falsche Hirten waren. Sie kümmerten sich nicht um das geistliche Wohlergehen des Volkes und versäumten es, ihre Aufgabe als Führer zu erfüllen (23,1-4).

Prophet: Hebräisch nabi´ – 1,5; 6,13; 8,10; 18,18; 23,37; 28,9; 37,3 – stammt wahrscheinlich von einem Wort, das »ankündigen« oder »ausrufen« bedeutet (19,14; Hes 27,4). Eine andere Möglichkeit ist ein Wort mit der Bedeutung »aufsprudeln« oder »ausgiessen«. Man kann Prophezeien mit einem »Aufsprudeln« des Heiligen Geistes in einer Person, die eine von Gott eingegebene Botschaft vermittelt, vergleichen (vgl. Am 3,8; Mi 3,8). Zur Zeit des AT waren Propheten Herolde oder Sprecher, die eine Botschaft für/von jemanden überbrachten (vgl. 1,5; 2,8, 2Kö 17,13; Hes 37,7). Im Fall der hebr. Propheten handelte es sich um Überbringer der Botschaft Gottes. Deshalb begannen die Propheten ihre Rede meist mit den Worten »so spricht der Herr der Heerscharen« (9,6.16).

Wort: Hebräisch dabar – 1,2; 5,14; 13,8; 21,11; 24,4; 32,8; 40,1; 50,1 – stammt von einem Verb, das »reden« bedeutet und wird mit das Wort oder das Gesprochene übersetzt. Der Ausdruck das Wort des Herrn wird von den Propheten oft am Anfang ihrer von Gott gegebenen Botschaft benutzt (1,13). In der Prophetenliteratur kann Wort auch als technischer Begriff eingesetzt werden und bedeutet dann »Prophetie«. In der Bibel wird das Wort der Offenbarung mit Propheten in Verbindung gebracht (26,5), genauso wie Weisheit mit weisen Männern, und das Gesetz mit den Priestern in Verbindung gebracht werden (18,18). Jeremia benutzte das Wort dabar häufiger als alle anderen Propheten. Er wollte damit seine von Gott gegebene Autorität untermauern.

Gliederung

Jeremias Vorbereitung (1,1-19)

  • Jeremias Kontext (1,1-3)
  • Jeremias Wahl (1,4-10)
  • Jeremias Verantwortung (1,11-19)

Ankündigungen an Juda (2,1 – 45,5)

  • Judas Verurteilung (2,1 – 29,32)
  • Judas Trost – der Neue Bund (30,1 – 33,26)
  • Hereinbrechende Katastrophen über Juda (34,1 – 45,5)

Gerichtsankündigungen über die Völker (46,1 – 51,64)

  • Einleitung (46,1; vgl. 25,15-26)
  • Über Ägypten (46,2-28)
  • Über Philistäa (47,1-7)
  • Über Moab (48,1-47)
  • Über Ammon (49,1-6)
  • Über Edom (49,7-22)
  • Über Damaskus (49,23-27)
  • Über Kedar und Hazor [Arabien] (49,28-33)
  • Über Elam (49,34-39)
  • Über Babylon (50,1 – 51,64)

Der Fall Jerusalems (52,1-34)

  • Die Zerstörung Jerusalems (52,1-23)
  • Die Wegführung der Juden (52,24-30)
  • Jojachins Befreiung (52,31-34)

Zur gleichen Zeit an einem anderen Ort auf der Erde …

Wassertransportsysteme werden entwickelt, um Städte mit dem kühlen Nass zu versorgen: In Jerusalem kommt ein unterirdisches Leitungssystem zum Einsatz; in Ninive setzte man Ziehbrunnen ein, später verbessern die unter Sanherib erbauten Aquädukte die Wasserversorgung beträchtlich.

Häufig auftauchende Fragen

1. Gott untersagte es, für die Juden zu beten (7,16). Er sagt auch, dass selbst Moses und Samuels Fürsprache das Gericht nicht hätte abwenden können. Welchen Sinn ergibt das? Wie ist das zu verstehen (15,1)?

Wenn wir uns mit der grundsätzlichen Frage auseinander setzen wollen, warum Gott gewisse Gebete beantworte und andere eben nicht, dann müssen wir die entsprechenden Stellen dazu genau untersuchen. Gottes Anweisung an Jeremia, nicht für die Juden zu beten, resultiert aus der hartnäckigen Ablehnung, die das Volk Gott entgegenbrachte. Jeremia 7,16 beginnt mit den Worten »Du aber« und weist darauf hin, dass Gott uns jetzt seine Entscheidung mitteilen wird. Da die Leute Jeremias Gebeten keinerlei Beachtung schenken, sind sie genauso nutzlos, wie gar keine Gebete.

Später erfahren wir in Jer 15,1, dass der Zustand des Volkes derart verzweifelt und sündhaft war, dass selbst die Gebete Moses und Samuels das bevorstehende Unglück nicht hätten abwenden können. Gott zeigt uns hier, dass die Versuchung, echte Busse durch ein »korrektes Gebet« ersetzen zu wollen, sehr gross sein kann, letztendlich aber einen völligen Fehlschluss darstellt. Der Gedanke, man könne den gerechten Zorn Gottes durch eine inhaltslose religiöse Zeremonie abwenden, war nicht nur im Altertum sehr verbreitet. Damals wie heute lässt Gott es zu, dass Leute das ganze Gewicht ihrer Schuld zu spüren bekommen, um ihnen so eine letzte Chance zur Besserung und Busse zu geben.

2. Ein Teil der Prophezeiungen Jeremias befasst sich mit dem neuen Bund, den Gott mit seinem Volk schliessen will. Was beinhaltet dieser neue Bund, und wie wirkt er sich aus auf Israel, das Neue Testament und die Gemeinde?

Gott kündigt in Jeremia 31,31-34 an, dass er einen neuen Bund mit seinem Volk aufrichten wird: »Sondern das ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel nach jenen Tagen schliessen werde, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Innerstes hineinlegen und es auf ihre Herzen schreiben und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein« (31,33). Dieser Bund wird sich unterscheiden von demjenigen, den er mit ihren Vätern schloss »nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern schloss an dem Tag, da ich sie bei der Hand ergriff, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen; denn sie haben meinen Bund gebrochen, obwohl ich doch ihr Eheherr war, spricht der HERR« (31,32). Die Erfüllung dieses neuen Bundes richtet sich sowohl an die einzelne Person, wie auch an Israel als Ganzes (31,36; Röm 11,16-27). Zu den endgültigen äusserlichen Indikatoren dieses Bundes zählen 1) die Wiederherstellung des Volkes in ihrem Land (31,38-40 und Kap. 30 – 33); und 2) eine Zeit grosser Angst und Trübsal (30,7).

Im Prinzip begann dieser Bund, den Jesus auch ankündigte (Lk 22,20), sich in der Zeit der Gemeinde sowohl auf die Gläubigen aus den Juden wie auch auf die aus den Heiden auszuwirken (1Kor 11,25; Hebr 8,7-13; 9,15; 10,14-17; 12,24; 13,20). Das Bild eines jüdischen Überrestes, das in den atl. Prophezeiungen sehr oft auftaucht, wird im NT erläutert: »So ist auch in der jetzigen Zeit ein Rest vorhanden, dank der Gnadenwahl« (Röm 11,5). Für das Volk Israel wird sich der ntl. Bund in den letzten Tagen erfüllen, dann nämlich, wenn sie alle in ihrem ursprünglichen Land, Palästina, wieder versammelt werden (Kap. 30 – 33). Die Linien des abrahamitischen, davidischen und neuen Bundes werden sich zu gegebener Zeit im Millennium, wo der Messias herrschen wird, überschneiden.

Kurzstudium zum Buch Jeremia/einige Fragen

  • Im ersten Kap. des Buches Jeremia offenbart Gott wie er mit dem Einzelnen umgehen und ihm begegnen wird. Wie sieht das aus?
  • Jeremia diente mehr als 40 Jahre als Prophet Gottes. In welchem Sinne versagte er? Inwiefern hatte er Erfolg?
  • Was meint Jeremia mit dem »Neuen Bund« (Kap. 31)
  • Welche Beziehung pflegte Jeremia zu den Königen seiner Zeit?
  • Was /wie zeigen Jeremias Prophezeiungen in den Kapiteln 46 – 52 über Gottes Souveränität, angesichts scheinbar mächtiger Nationen, auf?
  • Was lernst du von Jeremia bezüglich Treue?
Fortsetzung: Klagelieder

Datum: 08.06.2007
Autor: John MacArthur
Quelle: Basisinformationen zur Bibel

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