David, der «Mafiaboss»

Er streifte mit 600 Desperados herum

Richard Wiskin ist Bildungsreferent und wissenschaftlicher Fotograf der Ausgrabungsstätte in Gath, der Heimat von Goliath. Biblischer Glaube und Wissenschaft beschäftigen ihn seit Jahrzehnten. Dabei hat er sich besonderes Wissen über David angeeignet. Er hält Vorträge mit dem Titel
Richard Wiskin (Bild: Facebook)

«David – Ein 'Mafiaboss' wird König». Bei Livenet gibt er einen Einblick in das Leben des prominenten Königs.Livenet: Richard Wiskin, Sie bezeichnen David als «Mafiaboss». Warum dieses Wort?
Richard Wiskin
: Zuerst sprach alles für David. Nach dem Sieg über Goliath war er der grosse Held in Israel. Er besiegte den Feind, die Frauen jubelten ihm zu und er erhielt die Königstochter als Braut. Doch dann wendete sich das Blatt. Sein Schwiegervater wollte ihn umbringen. Der noch amtierende König fürchtete, dass David an seine Stelle treten könnte – was ja auch in Gottes Plan war. Und so musste er fliehen. Zuerst schlossen sich ihm Leute aus seiner eigenen Sippe an, da auch sie in Gefahr waren. Nach und nach kamen andere dazu. Menschen mit Dreck am Stecken, die verschuldet waren, die aus irgendeinem Grund auf der Flucht waren. Söldner, Staatenlose, Leute, die vom Raub leben, die sich über Wasser halten mussten. Solche boten sich Königen als Söldner an. Einige scharten sich damals auch um David. Sie lebten zusammen in der Wildnis. Alles war trocken, man konnte keine grosse Schafherde haben, weil Sauls Truppen sie entdeckt hätten. Sie mussten sich also verstecken. Am Ende waren es 600 Mann, viele von ihnen waren wirkliche Desperados. Manche brachten Frauen und Kinder mit. David musste Tag für Tag Essen und Schutz für all diese Leute bieten. Wie konnte er das tun? Freundlich Gesinnte können ihm etwas zustecken, aber das geht ein Jahr, und die Hilfe reicht nicht aus.

Also war David ein Mafioso ...
... die Bibel sagt klipp und klar, dass sie von Überfällen lebten. Er hat Streifscharen ausgeschickt. Die haben Dörfer und Siedlungen überfallen. Davon haben sie sich ernähren können. Später setzte er einen reichen Geschäftsmann unter Druck und verlangte Schutzgeld. Das sind alles Mafia-Methoden. Er war ein Mann seiner Zeit, wir dürfen ihn nicht mit der heutigen Situation messen, er hatte auch eine rauhe Sprache.

Interessant war, dass er immer dann, wenn er in der Klemme war, nach Gott suchte. Er liess sich auch etwas sagen, zum Beispiel als eine Frau auf ihn zukam und ihm vorwarf, dass er sich versündigt habe. Später bittet er Gott, dass er ihm die Sünden seiner Jugend vergibt. David war am Lernen und er war bereit zu lernen. Er war ein Mann nach dem Herzen Gottes. Dieser Mann wurde nicht errettet, weil er ein Musterknabe war. Er wurde errettet, weil Gott Sünden vergibt.

Das perfekte Beispiel, dass jeder Mensch eine zweite Chance hat?
Ja, jeder Mensch hat eine Chance vor Gott. Gott bietet sie an. Die Frage ist, ob man sie annimmt und sich von ihm etwas sagen lässt. David war «raubauzig», aber wenn er eines auf den Deckel bekam und realisierte, dass Gott mit ihm sprach, dann hat er das kapiert. Das machte ihn aus.

Wird David heute zu romantisch dargestellt?
Ja, blondes Haar, blaue Augen, der perfekte Sonntagsschüler – das war er nicht. Ich finde es nicht gut, wenn wir ihn romantisieren und daraus schliessen, «du kommst in den Himmel, weil du ein braver Bursche bist». Er kam in den Himmel, weil er als Sünder errettet wurde, Punkt.

Sie forschen in der Landschaft, wo die biblischen Ereignisse stattgefunden haben. Was entdecken Sie dort?
Es wird in der Bibel erwähnt, dass die Geschichte von König David aus drei Berichten zusammengesetzt ist. Drei verschiedene Leute, die Augenzeugen waren, wirkten dabei mit: Der Prophet Samuel, der Prophet Gat und auch der Prophet Nathan. Samuel am Anfang seines Lebens, Gat in der Mitte, wo David vor Saul geflohen ist und Nathan später, als David König wurde. Und alle diese Berichte wurden zu einem zusammengewoben. Das Gelände lässt sich orten, auch jene Stelle, an der David und Goliath gekämpft haben. Es sind sehr viele Dinge, die entdeckt wurden.

Kein Archäologe in Israel würde behaupten, es habe David nie gegeben. Von einem heidnischen König fand man den Teil einer Siegesstele, ein Stein, auf dem einiges eingraviert war, unter anderem der Begriff «Haus Davids». Früher haben einige bezweifelt, dass es David gegeben hat. Das kann man heute nicht mehr. Es gibt immer mehr ausserbiblische Hinweise und Fundstücke. Je mehr man die Sachen erforscht, kommt ein Mosaiksteinchen nach dem anderen ins Bild und man sieht, dass dies nicht Legenden und Heldensagen sind, sondern wahre Begebenheiten, die dort sehr präzis geschildert werden.

Entdeckt wurde auch eine Burg in der Gegend, ein neuerer Hinweis auf David – worum geht es da?
Über dem Tal, in dem David und Goliath kämpften, haben die Philister einen Lagerplatz gehabt. Und dorthin wären sie wiedergekommen. Denn von dort aus hätten sie die jüdische Festung auf der anderen Seite vom Tal wieder bedrohen können. In der Zeit unmittelbar nach dem Kampf Davids haben die Israeliten dort eine grosse Festung errichtet und diese etwa vierzig Jahre lang benutzt. Sie wird nun erst seit dem Jahr 2008 ausgegraben, die Arbeiten sind also noch lang im Gange. Das ist neu und passt genau ins Bild. Man wartete nicht, bis die Philister wiederkommen, sondern befestigte diesen strategischen Punkt noch besser.

Manche zweifeln an der Geschichte von Davids Kampf gegen Goliath. Doch inzwischen sind ausserbiblische Hinweise auch für Goliath zu finden?
Goliath ist kein semitischer Name. Er ist nicht von einem hebräischen Namen abgeleitet. Für Sprachgelehrte ist er fremdartig. Manche sagten, ob es so etwas überhaupt gegeben hat, weil man die Sprache nicht kannte.

Wir haben nun bei unserer Ausgrabung in Gath, der Stadt von Goliath, Namen gefunden, die in derselben Sprache sind, wie jene, die den Namen Goliath beheimaten. Es sind Namen, die ähnlich tönen wie Goliath. Sie stammen aus der gleichen Zeit wie er. Hier haben wir also ausserbiblische Hinweise auf Goliath, es sind nicht erfundene Namen, die aus dem Blauen gegriffen sind, sondern auch diese Namen passen in das Bild der Ausgrabung.

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Datum: 07.09.2020
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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