Vom Knast in die Kirche

Blau ist die Treue: Halleluja-Joe ist häufig mit seiner «Rollenden Kirche» unterwegs. Sie steht für seinen Glauben, dem er treu bleiben will.

Früher war Jo Scharwächter Berufsverbrecher, Zuhälter und ein Trinker. Heute ist er Heilsarmee-Offizier und Seelsorger in einer fahrenden Kirche.

Bild: Jo Scharwächter

Zuhälterei, Erpressung, Diebstahl, Körperverletzung, Fahren ohne Führerschein, Alkoholmissbrauch – die Vergangenheit von Jo Scharwächter (61) ist alles andere als rühmlich. Wen wunderts, dass der einst gefürchtete Boss aus Frankfurts Unterwelt fast zehn Jahre seines Lebens im Gefängnis gesessen hat?

Doch das Leben im Knast hatte auch sein Gutes: Hinter Gittern traf er seine erste Frau, die mit einer Gruppe junger Christen Gefangenenbesuche machte. Ihr gelang es, Scharwächter die Sinnlosigkeit seines Lebens bewusst zu machen und ihn zu einer Hinkehr zu Jesus zu bewegen.

Die Liebe machte ihn stark

«Gott krempelte mein Leben um», sagt der gebürtige Holländer mit heutigem Wohnsitz in Elfingen AG, und tatsächlich wurde aus dem Zuhälter ein Familienvater, aus dem Verbrecher ein Heilsarmee-Offizier. «Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich, was es heisst, geliebt zu werden – nicht nur von meiner Frau, auch von meinen Schwiegereltern, der christlichen Gemeinde und von Gott», erzählt der Bekehrte.

Vieles hat sich für Jo Scharwächter seither verändert – doch sein Arbeitsumfeld ist sehr oft noch das Gleiche wie einst. Mit einem Unterschied: «Bars, Bordelle oder die Drogenszene suche ich heute als Christ auf. Ich will den Hoffnungslosen Hoffnung geben, ihnen zeigen, dass es jemanden gibt, der für sie da ist», erklärt der Seelsorger mit dem liebevollen Übernamen Halleluja-Joe. «Und dafür muss man selber aktiv werden und auf die Leute zugehen.»

Rolling Church

Zu diesem Zweck ist Seelsorger Scharwächter oft mit einer kleinen blauen, auf einen Autoanhänger gebauten Kirche unterwegs, der «Rolling Church». Diese «Rollende Kirche» hat er von der Expo 02 übernehmen können. Für seine Bedürfnisse ist sie ideal. «Wir fahren auf Autobahnrastplätze, in Innenstädte oder auch in die Drogen- und Prostituiertenszene, um so mit den Leuten ins Gespräch zu kommen», sagt Halleluja-Joe.

Das sei nicht immer einfach. «Vor allem die Arbeit mit Prostituierten erweist sich als schwierig», erzählt der ehemalige Zuhälter, «denn auf dem Strich lässt sich immer noch leicht Geld verdienen, und das erschwert den Ausstieg. Die meisten Frauen haben ja nichts gelernt und müssten sonst von einem knappen Fürsorgegeld leben.»

Wenn aber eine der Frauen wirklich aussteigen will, dann scheut sich Scharwächter nicht, sie bei Nacht und Nebel aus dem Bordell zu holen und weit weg, in eine andere Stadt – und in ein neues Leben – zu führen.

Lebenserfahren

Scharwächter kam vor zehn Jahren in die Schweiz, wo er unter anderem Asylbewerber betreute und verschiedene Gassenprojekte organisierte. Dann hat er sich als Lebensberater selbständig gemacht und – was ihm ganz besonders liegt – in der Krisenintervention.

In seiner Tätigkeit ist er mittlerweile so erfolgreich, dass sich auch die Behörden gerne an ihn wenden, wenn sie mit ihrem Latein am Ende sind: «Ich habe eine entsprechende Ausbildung gemacht, aber der Erfolg basiert zu einem grossen Teil auf meiner Lebenserfahrung.»

Sein Glück gibt er weiter

Wer eine Vergangenheit wie Scharwächter hat, dem ist nichts Menschliches fremd. Und so hat der Vater von drei erwachsenen und zwei kleinen Kindern in der Regel einen guten Draht zu den «gestrandeten Seelen». Seine direkte, ehrliche Art kommt gut an, und wenn er Menschen, die in Not geraten sind, dank schnellem, unbürokratischem Einsatz helfen kann, macht ihn das glücklich. «Das ist meine Berufung, mein Leben», sagt Scharwächter strahlend.

Lesen Sie auch das Interview dazu: Diese Kirche fährt auf der Überholspur

Datum: 15.10.2005

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service