«Walking Him Home»

Hochzeit auf der Hinrichtungsinsel

Während ihres Einsatzes im christlichen Gefängnisdienst lernte Feby ihren Mann Andrew Chan kennen – unter schwierigen Bedingungen: Andrew war hinter Gittern angehender Pastor geworden, wegen Drogenhandels sollte er aber durch ein
Feby Chan (Bild: Screenshot Youtube)
Andrew und Feby Chan
Buch von Feby Chan

Erschiessungskommando hingerichtet werden …

Alle haben eine Meinung über eine Frau, die den Mann heiratet, den sie in der Todeszelle kennengelernt hat. Feby Chan erinnert sich, dass sie Jahre, bevor sie ein Gefängnis betrat, eine Frau im Fernsehen sah, die sich mit einem Mann aus dem Todestrakt traf, und dachte: «Sie muss verrückt sein!»

Doch dann verliebte sich Feby selbst in einen Häftling. Wie viele andere war auch sie bis zum Schluss sicher, dass Andrew nicht getötet werden würde. Gott würde ihn retten. Doch Gott tat es nicht.

Bekannt als einer der Rädelsführer der «Bali 9», war Andrew Chan einer von neun Australiern (in seinem Fall mit asiatischer Abstammung), die wegen Drogenhandels verurteilt wurden, da sie versucht hatten, Heroin im Wert von vier Millionen Dollar aus Indonesien herauszuschmuggeln. Deswegen wurde er vor sechs Jahren hingerichtet. Nun hat Feby das Buch «Walking Him Home» (dt. Ihn nach Hause begleiten) über ihre Geschichte geschrieben.

Durch das Gebet kennengelernt

Obwohl die «Bali 9» bei ihrer Verhaftung im Jahr 2005 weltweit Schlagzeilen machten, hatte Feby nichts von ihnen gehört. Doch vier Jahre später erhielt sie eine E-Mail von einem Freund, der sie fragte, ob sie beim Aufbau eines Gebetsdienstes im Kerobokan-Gefängnis auf Bali helfen könne. Die Bitte um diesen Dienst war von einem der Gefängnisinsassen gekommen: Andrew Chan.

Siebenhundert Kilometer westlich von Kerobokan leitete Feby einen Gebetsraum in ihrer Gemeinde in Yogyakarta, nahe Java in Indonesien – in diesem Raum wurde rund um die Uhr gebetet. Feby selbst leitete das Gebet täglich für sechs Stunden, meistens von Mitternacht bis sechs Uhr in der Früh.

Einen Gebetsdienst im Kerobokan-Gefängnis einzurichten, war also kein so ungewöhnliches Anliegen für Feby.

«Warum wollte Gott das?»

Sie fragte sich, warum Gott dies wollen sollte, da er auch jemanden aus Bali statt Yogyakarta wählen könnte. Doch sie ging hin. «Ich hatte nicht erwartet, dass Andrew so aufgeweckt, so glücklich, so sauber ist. Er war nicht so, wie ich dachte, dass jemand im Todestrakt sein würde», erinnert sich Feby.

«Er hatte dunkles Haar und schien asiatischer Abstammung zu sein. Er war ziemlich dünn und hatte Tattoos an den Armen. Ich bin kein grosser Fan von Tattoos. Ich sah auch, dass er eine Narbe auf seiner Stirn hatte. Ich fand, dass er ein bisschen unheimlich aussah.»

Andrew sass bereits seit sechs Jahren im Gefängnis. Er war Christ geworden, während er in Einzelhaft sass, nachdem er das Neue Testament immer wieder gelesen hatte. Er leitete mittlerweile Gottesdienste im Gefängnis und studierte, um Pastor zu werden (2015, kurz vor seinem Tod, wurde er ordiniert).

Von Häftling ermutigt

Als Feby ihn kennenlernte, war es auch sein australischer Akzent, der ihn ihr sympathisch machte. Feby blieb fünf Tage auf Bali und besuchte jeden Tag das Gefängnis und führte durch ein Programm mit Gottesdiensten und Bibelstunden, das Andrew für interessierte Gefangene organisiert hatte.

Sie war sehr ermutigt von Andrews Glauben und seinem Engagement, anderen Gefangenen von Gott zu erzählen. Als die Woche vorbei war, blieben sie per E-Mail in Kontakt.

Feby plante weitere Reisen nach Bali und weitete ihren Gefängnisdienst auf fünf weitere Strafanstalten in Java aus.

Das Kerobokan-Gefängnis wurde für 300 Gefangene gebaut, aber normalerweise sind dort mehr als 1400 Gefangene gleichzeitig. Feby und eine Bekannte sammelten Geld für eine Küche, in der Andrew einen Kochdienst begann, in dem er Gefangenen das Kochen beibrachte und mit ihnen über Gott sprach. «Andrew liebte es zu kochen. Jedes Mal, wenn ich zu Besuch kam, kochte er mir etwas.»

Verliebt hinter Gittern

Nach fast zwei Jahren veränderte sich ihre Beziehung. «Er war ein sehr erstaunlicher Mann Gottes, und ich mochte ihn wirklich. Je mehr ich darüber gebetet habe, desto mehr war ich mir sicher, dass es richtig war. Es war irgendwie Teil von Gottes Plan. Ich wusste, dass Andrew kein 'böser Junge' war, wie die Leute vermuteten.»

Die ganze Zeit über blieb Andrew in der Todeszelle. Oft hatten sie nur eine Stunde Zeit für ihre Besuche. «Ich hatte so viele Wunder gesehen! Ich erwartete ein Wunder, und ich war sicher, dass es Andrews Freiheit sein würde.»

In den Jahren zuvor war Andrew und ein Mitangeklagter vom damaligen indonesischen Präsidenten von der Hinrichtungsliste des Jahres 2013 gestrichen worden, ein Hoffnungsschimmer war da.

Heirat auf der Hinrichtungsinsel

Zwei Jahre später, zehn Tage nach Andrews 31. Geburtstag im Januar 2015, wurde sein Gnadengesuch des Präsidenten abgelehnt; alle Möglichkeiten, ihn zu retten, waren ausgeschöpft.

«Am 3. März erfuhren wir, dass Andrew vom Kerobokan-Gefängnis ins Besi-Gefängnis auf der Hinrichtungsinsel Nusa Kambangan gebracht werden würde.» Inzwischen beteten laut Feby zahlreiche Menschen für Andrew – Pastoren in ganz Indonesien und Australien hatten mit ihr Kontakt aufgenommen.

Doch am 25. April 2015 erhielt Andrew die offizielle Mitteilung, dass er hingerichtet werden würde. Ein 72-Stunden-Countdown war angekündigt worden. Feby durfte Andrew am nächsten Tag sehen und weinte unkontrolliert. Die Wärter nahmen Andrew die Handschellen ab, damit er sie umarmen konnte. Später am Tag durfte sie ihn wieder besuchen. Und Andrew fragte sie, ob sie ihn heiraten wolle. Sie sagte ja, aber war auch aufgewühlt.

Grosse Fragen

Schon bei seiner Verlegung auf die Insel hatte sie eine Liste gemacht, was es bedeuten würde. «Ich wusste, dass wenn ich Andrew heiraten würde, ich ein Zeichen auf mir haben würde. Seine Geschichte würde für den Rest meines Lebens mit meiner verknüpft sein. Die Leute würden denken, ich sei verrückt. Sie würden alles Mögliche über mich und ihn vermuten. Sie würden meine Motive in Frage stellen. Aber hauptsächlich dachte ich an Andrew. Würde es eine Quelle der Stärke für ihn sein? War es das, was er wollte? Würde es seinem Glauben helfen, stark zu bleiben? Würde es ihm am Ende helfen?»

Am nächsten Tag wurden sie in der Gefängniskapelle getraut. Andrews enger Freund und Vertrauter, David Soper – ein Geistlicher der Heilsarmee –, vollzog die Zeremonie. «Die Realität lag vor uns – Andrew würde in wenigen Tagen hingerichtet werden, aber ich glaubte weiterhin, dass, egal was die Welt sagt, Gott es aufhalten kann. Gott kann alles tun. Wir haben weiter geglaubt, bis zum letzten Moment.»

Sie sangen «10'000 Reasons»

Nur 35 Stunden, nachdem sie geheiratet hatten, wurde Andrew durch ein Erschiessungskommando hingerichtet. Während sie an Holzstangen gefesselt wurden, sangen die acht zu tötenden Männer christliche Hymnen, darunter das Lobpreislied «10’000 Reasons», das Andrew und Feby auch bei ihrer Hochzeit gesungen hatten.

Um 1 Uhr morgens am Mittwoch, den 30. April, erhielt Feby die Nachricht. Es war vorbei. Er war tot. Sie fühlte sich wie betäubt. Sein Leichnam wurde zur Beerdigung nach Sydney geflogen, aber Feby wusste, dass Andrew bei Jesus war.

Kampf mit der Wut

«Meine ganze Welt brach zusammen, ich war wütend.» Feby wurde in den Wochen vor und viele Wochen nach Andrews Tod von den Medien gejagt. Monatelang träumte sie, sie würde zum Hinrichtungsplatz gehen. Sie hörte auf zu beten.

Lange Zeit verbarg sich Feby – vor ihren Freunden und vor Gott. Aber sie vermisste es, mit Menschen zu reden, die Andrew kannten. Und indem sie ihnen wieder die Hand reichte, halfen sie ihr, wieder zu Gott zu kommen. Langsam begann Feby zu sprechen. Und sie begann, neu auf Gottes Worte zu hören.

«Ich hatte dieses Bild von einem Gott, der nicht zulassen würde, dass jemand solche Schmerzen erleidet. Und ich weiss jetzt, dass das die falsche Denkweise war, es war ein Missverständnis darüber, wie Gott mit schwierigen Situationen in unserem Leben umgeht.»

Neues Verständnis

«Nach dem, was Andrew passiert ist, hat sich das für mich geändert. Ich begann zu verstehen, dass Christsein nicht bedeutet, dass mir keine schlimmen Dinge passieren, sondern dass Gott mit mir ist, wenn sie passieren. Und dass er meinen Schmerz und meine Schwierigkeiten in diesen dunklen Stunden benutzen kann, um anderen Menschen zu helfen.»

Jetzt, im Frühjahr 2021 sind es sechs Jahre seit Andrews Hinrichtung. Die Erinnerung bringt für Feby, die durch die Geschehnisse schwer traumatisiert war, nicht mehr automatisch körperliche Schmerzen mit sich. Sie kann sich endlich mit Zuneigung an die Zeit erinnern, die sie und Andrew zusammen verbringen durften.

Wenn sie Gott heute frage, warum er sie nach Bali geschickt hat, kommt sie zu dieser Antwort: «Ich glaube, Gott hat mich zu Andrew geschickt, um bei ihm zu sein und ihn auf das vorzubereiten, was kommen würde. Ich glaube, ich war da, um ihn nach Hause zu begleiten.»

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Datum: 05.05.2021
Autor: Kaley Payne / Daniel Gerber
Quelle: Eternity News / gekürzte Übersetzung: Jesus.ch

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