Nach 25 Jahren als guter Bürger und engagierter Christ
geriet Hanspeter Javet ins alte Fahrwasser. Zum zweiten Mal im Gefängnis, am
Ende angekommen. Doch dann zeigte Gott ihm wertvolle Lektionen.
Hanspeter Javet (Bild: zVg)
Die Kindheit von Hanspeter Javet (*1963) und
seiner drei Geschwister war geprägt von der Alkoholsucht seines Vaters. Als er
neun Jahre alt war, liess sich die Mutter scheiden.
Schwierige Jugendjahre
Hanspeter war einsam. Die Mutter arbeitete
viel, um die Familie einigermassen über die Runden zu bringen. In der Schule
war er Aussenseiter. «Da bemerkte ich eines Tages, dass Geld mein Leben
verändern kann», beschreibt er die Zeit, als schlechte Gewohnheiten ihren
Anfang nahmen. «Freunde» waren zur Stelle, wenn er sich irgendwelche Extras
leisten konnte. Das Taschengeld war gering, doch der Griff in Mutters Geldbörse
fiel immer einfacher. Bald stahl er Geld von Geschwistern und Nachbarn. Das
brachte zu Hause Schwierigkeiten und den Verlust seiner ersten Jobs. Als
16-Jähriger wurde Hanspeter von seiner überforderten Mutter, die gerade zwei
missglückte Selbstmordversuche hinter sich hatte, auf die Strasse geworfen. Bei
seiner Schwester fand er Zuflucht. Sie war inzwischen verheiratet und erwartete
ihr erstes Kind. Auch hier gab es wegen des Stehlens viel Ärger.
Doppelleben
Durch seinen Schwager kam Hanspeter in engen
Kontakt mit einer Kirchgemeinde, wo er viel über Gott erfuhr. Doch selbst, wenn
er den Glauben bejahte, konnte er dadurch seine schlechten Gewohnheiten nicht
überwinden. Damals war er unfähig, sich irgendjemandem mit seinen Problemen
anzuvertrauen. «Ich führte ein richtiges Doppelleben, das war anstrengend.»
Als
Jungscharleiter nahm er eine Vorbildfunktion ein und versuchte, seine Gaunereien
zu verstecken. Nach der Lehre zum Bäcker-Konditor wollte er eine weitere Lehre
als Koch anfügen. Doch dann wurde er eines Nachts bei einem Einbruch von der
Hausbewohnerin erwischt. Von Panik ergriffen stach er mit seinem Messer auf sie
ein und floh. Er rang mit seinem Gewissen und mit Gott. Letztlich stellte er
sich der Polizei und landete als 20-Jähriger im Gefängnis.
Neuanfang und Rückfall
Hanspeter Javet in der Gefängniszelle
Die achtzehn Monate im Gefängnis wurden für
Hanspeter zum Wendepunkt. In den darauf folgenden 25 Jahren lebte er ein
«gutes» Leben. Mehrere Jahre war er Mitarbeiter bei «Jugend mit einer Mission»,
lernte einen guten Umgang mit Geld und diente anderen Menschen. Alles deutete
darauf hin, dass Hanspeter seine problembeladene Jugend hinter sich gelassen hatte.
Doch dann liess er sich auf moralische Kompromisse ein, verlor viel Geld und
sah sich plötzlich einem Schuldenberg gegenüber. Innerhalb von drei Wochen
verübte er zwei Überfälle. «Nur kurz die Schulden begleichen und dann wieder
sauber leben», sagte er sich. Beim zweiten Überfall wurde er verhaftet.
Neun Jahre, um sich Gedanken
zu machen
Das Gerichtsurteil: neun Jahre Gefängnis. Eine
lange Zeit, um sich über sein Leben Gedanken zu machen. «Gott brauchte meine
Zeit im Gefängnis, damit ich lernte, über meine Probleme zu sprechen.» Die
Fähigkeit, sich zu öffnen, war der Beginn einer sehr guten Entwicklung.
Pflichtbewusst durchlief er die verordnete Therapie. Mit Gewinn!
In diesen Jahren widmete er sich auch stark dem
Thema der Vergebung. Von Gott Vergebung anzunehmen, obwohl er sich doch als
«gestandener Christ» derart «unchristlich» benommen hatte, war die erste
Herausforderung. «Doch eigentlich ist die Sache einfach: Gottes angebotene
Vergebung ist uns sicher. Egal, ob wir dies fühlen oder nicht.» Anders sei es
bei Mitmenschen. «Du kannst nicht wissen, ob dir Menschen vergeben und es auch
nicht von ihnen einfordern.»
Am schwierigsten war es für ihn, die eigene Schuld
zurückzulassen. Er bezeichnet dies als «sich selbst vergeben» und «die
Vergangenheit abhaken». Er sagt: «Ich habe mich so stark selbst
enttäuscht, dass ich diese Enttäuschung erst einmal verarbeiten musste. Heute
kann ich über die dunkelsten Stunden meines Lebens sprechen.»
Rückfall und Bewährung des
Gelernten
Kurz nach seiner Entlassung im Jahr 2014 hatte
Hanspeter einen Rückfall. Er wurde dabei erwischt, wie er seinem Arbeitgeber
Geld aus der Kasse entwendete. Er war verzweifelt. Warum nur konnte er das
Stehlen einfach nicht lassen? Wieso tat er als überzeugter Christ solch
schlechte Dinge? Am darauf folgenden Sonntag bekannte er sein Vergehen vor
seiner Gemeinde. «Da erfuhr ich die Kraft, die darin liegt, wenn ich Dinge ans
Licht bringe. Der Feind will mich fertig machen und mir einreden, dass es keine
Hoffnung gibt. Wenn ich aber meine Probleme ans Licht bringe, verliert er seine
Waffen.»
Die Waffenrüstung, wie Paulus sie in Epheser 6 beschreibt, gab
Hanspeter eine grosse Hilfe, um sich gegen Versuchungen zur Wehr zu setzen.
Dabei kommt er immer wieder auf das Thema Vergebung zurück. «Ohne
Vergebung wird dir die Vergangenheit immer anhaften. Bringe deine Dinge ans
Licht und nimmt Gottes Vergebung an.»
Noch einmal eine neue
Chance
«Seit 2017 bin ich meine Bewährung los»,
schildert Hanspeter. Heute ist er auch die Illusion los, dass er von Versuchung
verschont bleiben wird. «Tägliches Leben mit dem Wissen von Gottes Vergebung,
das Leben mit der Waffenrüstung Gottes und mit Freunden über meine Probleme zu
reden: Diese Dinge sind mir wichtig.» Das Scheitern versteckt Hanspeter nicht
mehr. Er freut sich, Menschen seine Geschichte zu erzählen. Das frühere
Versagen hält ihn nicht davon ab, Menschen zu dienen. «Jesus starb am Kreuz für
mein Scheitern. Deshalb darf ich zu Gott kommen, selbst wenn es immer wegen derselben
Problemen ist.»
2017 gründete Hanspeter den Verein «Kafi mit
Herz». Das Ziel ist es, mit Bauanhängern, welche zu mobilen Kaffeestuben oder
Foodwagen umgebaut worden sind, den Kontakt zu Randständigen aufzubauen, ihnen Essen
auszugeben und die Liebe Gottes in die Welt hinaus zu tragen.