Sie hatte Rückenschmerzen. Entdeckt wurde nur eine Zyste
und erst in einer vorgezogenen Vorsorgeuntersuchung der Brustkrebs. Heute sagt Esther Hotel:
«Der Krebs war das Beste, was mir passieren konnte.»
Esther Hotel
Dass bei der 43-jährigen Schwester
Esther 2005 Krebs entdeckt wurde, hat sie nicht wirklich «geschockt». In ihrer
Familie gab es einige Krebserkrankungen und als 14-Jährige erkrankte sie bereits schwer an Blutkrebs
(Leukämie), durch den sie fast gestorben wäre.
Mit fünf Jungs machte sie die Welt unsicher
Bereits mit 14 Jahren erkrankte Esther Hotel schwer an Blutkrebs.
Aufgewachsen war Esther
Hotel mit ihrer Schwester in einem Vorort von Heidelberg. Ihr Vater war
ehrenamtlicher Prediger bei den Mennoniten (einer alten Freikirche, die auf die
Täuferbewegung zurückgeht). Sie verbrachte eine schöne, wie ausgesprochen wilde
Kindheit. Gemeinsam mit fünf Jungs machte sie die Welt im buchstäblichen Sinn unsicher.
Einige ihrer «Heldentaten»: Sie steckte eine Wiese in Brand, sprengte einen
Gasherd in die Luft und liess die Schweine ihres Grossvaters aus dem Stall, die
daraufhin die nahegelegene Bundesstrasse blockierten. «Wir haben zusammen aufgemischt,
was aufzumischen war», erinnert sie sich.
Doch das Leben der temperamentvollen
Frau wurde ruhiger: Sie machte eine Ausbildung zur Erzieherin und trat mit 20
Jahren in eine Diakonissengemeinschaft ein. Fortan war sie Schwester Esther und
wollte Jesus mit ihrem ganzen Leben dienen.
«Das war so o.k. für mich»
An dem Tag, an dem der
Brustkrebs diagnostiziert wurde, war die Losung des Tages für Schwester Esther
das wegweisende Wort. Der Bibelvers steht in Psalm 118, Vers 18: «Der Herr züchtigt mich schwer; aber er gibt mich dem Tode nicht preis.»
Sie legte ihre Situation
in Gottes Hand und bat ihn um Heilung. Doch wie diese Heilung aussehen würde,
überliess sie Gott. «Ich wusste, dass er mich an meiner Seele heilen würde, ob
er es auch körperlich tun würde, wusste ich nicht und das war so o.k. für mich.»
«Was haben Sie denn verbrochen?»
Nachdem die Brustoperation
für Schwester Esther gut verlaufen war, stand für sie die Chemotherapie an. Im
Krankenhaus wartete sie in einer Gruppe auf ihre erste Infusion. An ihrer
Kleidung konnte jeder sehen, dass sie eine Diakonisse war. Eine der Wartenden fragte
sie spontan: «Was haben Sie denn verbrochen, dass Gott Ihnen das zumutet?» Schwester
Esther antwortete, so direkt, wie es ihre Art ist: «Ich habe genau so wenig
verbrochen wie Sie».
Dass Krankheit eine Strafe
Gottes sein könnte – das kam Schwester Esther nie in den Sinn, das war auch
kein Gedanke, der in dem frommen Elternhaus Raum hatte. Bei fast jedem der dann
folgenden «Treffen» der Patienten zu ihrer Krebs-Behandlung sprach sie mit den
Mitpatienten über Gott und die Beziehung zu ihm. Zwei Menschen fanden dabei zum
Glauben, die heute nicht mehr leben.
«Ich hatte an Jesus vorbeigedient»
Die Krebserkrankung wurde für Schwester Esther zu einem tiefen Einschnitt. Ihr
wurde mit einem Mal klar, dass Jesus immer wieder vergeblich auf sie wartete. «Als
ich merkte, dass ich an Jesus vorbeigedient hatte, da wusste ich, dass der Krebs
meine Rettung war.»
Schon
früher hatte die quirlige Frau erlebt, dass sie immer wieder mal krank wurde
und es so empfand, dass Jesus sie ausbremste. «Er sagte immer wieder zu mir: 'Mensch Mädle, mach mal halblang. Eigentlich
will ich Zeit mir dir verbringen, aber du hast keine Zeit.'» Diese Botschaft ging ihr
mit der Krebserkrankung viel tiefer ins Gemüt. Heute sagt sie: «Ich
bin näher an seinem Herzen, auch wenn ich noch zu viel mache. Der Krebs war deshalb
das Beste, was mir passieren konnte.»
Im Verlauf der Krankheit
beschäftigte sich Schwester Esther mit dem Tod. «Ich weiss, dass er jederzeit kommen kann, aber er hat seinen Schrecken
verloren. Für die Zeit, die mir bleibt, habe ich keine Angst vor dem Tod. Das
Einzige, was bei mir Beklemmung auslöst, ist, wie ich sterben werde.» Während ihrer Krankheit
schrieb sie ihr Testament und verfügte, wie ihre Beerdigung ablaufen sollte.
Kein Tag ohne Schmerzen
Schwester Esther lebt auch
heute, viele Jahre nach der Behandlung, mit den Folgen der Krebserkrankung und
grossen Einschränkungen. Jede Nacht weiss sie nicht, wie lang und gut sie
schlafen kann. Morgens aus dem Bett zu kommen, ist eine der grössten Anstrengungen
und immer wieder ein Kampf für sie. «Es gibt für mich keinen Tag ohne Schmerzen, noch nicht einmal, wenn ich
Tabletten nehme.» Um Entspannung und einen Ausgang aus dem Schmerzkreislauf zu
finden, spricht sie mit Gott. «Wenn ich
bete, komme ich zur Ruhe und kann mich entspannen.»