Nur ein paar Kilo

Hungern nach Leben und Liebe

Wollten Sie auch schon mal ein paar Kilo abnehmen? Ich jedenfalls hatte diesen Wunsch: "nur ein paar Kilo". Bloss begann damit für mich eine Diät, die sich über zehn Jahre hinzog und mir beinahe das Leben gekostet hätte.
Waage
Karen Schenk
Magersucht
Himmelbaum

Beliebt sein, das war mir schon in ganz jungen Jahren wichtig. Als Kind hatte ich viele Freunde und fühlte mich wohl in meiner Haut. Mit meiner Familie war ich eng verbunden. Aber mit 11 Jahren brach meine heile Welt völlig zusammen. Ich wurde von einem entfernten Verwandten missbraucht, mein kleiner Bruder starb, und als Familie zogen wir in eine andere Gegend. Der Schulwechsel forderte mich massiv heraus. Einmal beschuldigte man mich, ich hätte einen Drogenhandel verpetzt. Die Quittung: Ein ganzes Jahr lang zogen meine Mitschüler über mich her und liessen mich links liegen.

Es begann mit einer flüchtigen Bemerkung

Mein Selbstvertrauen wurde dadurch stark erschüttert. Zugleich hatte ich aber Angst, meinen Eltern zu erzählen, was ich alles auszustehen hatte. Ich wollte keine “Harmonie” durcheinanderbringen, und hielt lieber den Mund. Ich redete mir ein, alles sei ja nur halb so schlimm. Zu Beginn der High-School stand ich innerlich weiterhin auf wackligen Beinen, auch wenn ich äusserlich nun wirklich dazugehörte. Eines Tages bat ich einen etwas grobschlächtigen Jungen um einen Gefallen. Er solle mir frei heraus sagen, ob ich seiner Meinung nach abnehmen sollte. “Ein paar Pfund wären nicht schlecht”, war seine Antwort.

Und es ging gar nicht lange, da hatte ich schon fünf Pfund weniger – und fühlte mich richtig wohl. Noch einmal fünf Pfund, und ich würde mich noch glücklicher fühlen! Und je tiefer mein Gewicht sank, desto höher stieg meine Beliebtheit, auch bei den Jungs. Wie sehr hatte mich nach alldem gesehnt! Geliebtsein wurde für mich gleichbedeutend mit Schlanksein. Ein Perfektionismus überkam mich. Etwas anderes als Einsen in der Schule lag schon gar nicht mehr drin. Jeden Tag trieb ich Sport, ging laufen, machte Gymnastik und Aerobic; alles nur, um jede mögliche Kalorie wieder loszuwerden.

Nach einen halben Jahr bekam ich schwere Schwindelanfälle und musste einen Arzt aufsuchen. Er diagnostizierte mir Magersucht. Aber ich dachte bloss: “Wie kann man knapp 48 Kilo wiegen und an einer Essstörung leiden?" Auch andere Leute, denen ich davon erzählte, fragten sich das. Ich beschloss also: Wenn schon magersüchtig, dann gleich richtig. Ein weiteres Ziel war gesteckt.

Verzweiflung

Verzweiflung stieg hoch. Noch mehr lernen, noch mehr Sport treiben, endlich dünn genug zu sein! Ich nahm oft nicht mehr als 100 bis 500 Kalorien pro Tag zu mir. Schliesslich meinte ich, ich müsste meiner Diät noch ein wenig nachhelfen: Täglich schluckte ich bis zu 60 Tabletten an Abführmitteln, und was vielleicht an Kalorien noch übrigblieb, das erbrach ich wieder aus mir heraus. Neun Jahren ging das so zu; zweimal wäre ich dabei fast gestorben. Immer wieder stand ich in dieser Zeit unter ärztlicher Beobachtung und machte Therapien. Nach aussen arbeitete ich aber trotz allem hart, um nur ja den Eindruck wahren, ich hätte alles im Griff.

In dieser Zeit begegnete mir in unserer Gemeinde ein wunderbarer Mensch: Cam. Ich kannte ihn bereits als einen gutaussehenden, humorvollen Burschen, der Gott von Herzen liebte und jedem dieselbe Leidenschaft für ihn wünschte. Wir befreundeten uns, und ich versuchte sogar, ihn mit meiner Schwester zusammenzubringen. Zum Glück hat das nicht geklappt. Etwa zwei Jahre später war ich mit meiner Essstörung auf dem Tiefpunkt. Immer wieder wurde ich ohnmächtig. Eines Tages rief mich mein Arzt auf der Arbeit an und sagte mir, dass er mich ins Krankenhaus einweisen würde.

Nach zwei Wochen im Spital war ich total frustriert und schaffte es mit einen Trick, entlassen zu werden. Zu Hause klemmte ich mich nur umso intensiver hinters Abnehmen. Ich betrieb mehr Sport denn je, schluckte Abführmittel und ass extrem wenig, manchmal nur ein oder zwei Kekse pro Tag und dazu ein wenig Wasser – was ich alles gleich wieder ausspie.

Wieder landete ich im Krankenhaus, diesmal wegen Herzflattern und schwerer Austrocknung. Ich war dem Tod näher als dem Leben. Mit einer Magensonde wurde ich zwangsernährt; 3000 Kalorien pro Tag für einen Körper von nurmehr 37 Kilogramm. Aber ich leitete den Schlauch in den Abfalleimer unter meinem Bett. Sooft es irgend ging, trieb ich sogar wie wild Sport.

Hoffnung

Eines Sonntagmorgens, als meine Familie und Cam im Gottesdienst waren, blieb ich allein zu Hause und dachte über meine Situation nach. Ich setzte mich hin und erstellte eine ganze Liste voller Lügen, die ich mir im Lauf der Zeit angeeignet hatte. Daneben stellte ich die Wahrheiten, wie sie mir im Innersten klar waren. Wie sehr sehnte ich mich jetzt danach, auch wirklich an die Wahrheit glauben zu können! Ich weinte und schrie zu Gott um Hilfe und bat Freunde darum, für mich zu beten, damit ich endlich glauben könnte.

Ich kann mich gut an einen Abend erinnern, als ich fünf Jahre alt war. Ich sass mit meiner Mutter im Wohnzimmer, und wir unterhielten uns darüber, dass Jesus für uns gestorben war, damit wir in den Himmel kommen könnten. Ich weiss noch, wie ich Jesus bat, mir meinen Sünden zu vergeben und in mein Herz zu kommen. Das war ein besonderer Augenblick. Aber trotz dieser Lebensübergabe ging es dann anders weiter. Unsicherheit, Gruppendruck und das Verlangen, mein Leben selber zu bestimmen, zogen mir diesen Glauben wieder unter den Füssen weg.

Und was sollte ich jetzt für eine Beziehung zu Gott aufnehmen können? Mir war doch klar, ich war drauf und dran, meinen Körper zu ruinieren. Ich hatte einfach Angst, mich ihm ganz und gar auszuliefern. Er könnte es ja sogar zulassen, dass ich übergewichtig werde! So versuchte ich, ihm auf andere Art zu gefallen. Ich war nett und freundlich, tat das, was ihm sicherlich gefallen musste. Ich las in der Bibel und sah mich dennoch ausserstande, Gott die Herrschaft über meinen Körper zuzugestehen.

Im Krankenhaus war es schliesslich, als ich ihm mein Leben ganz und gar übergab. Ich bat ihn, dass er mir meine Selbstsucht vergibt und mir das Vertrauen schenkt, dass er auch beim Thema Gewicht alles recht machen wird.

Erholung

Nach vier Wochen im Spital wog ich schliesslich wieder 47 Kilo und konnte entlassen werden. Meine vielen Lügen konnte ich mit Gottes Wahrheit niederringen. Entscheidend dazu beigetragen haben eine weitreichende Therapie, medizinische Unterstützung und die Gebete und Liebe meiner Familie und von Cam. Mein Zustand besserte sich zusehends, und sieben Monate später feierten Cam und ich unsere Hochzeit. Welch ein freudiges Ereignis für uns beide und für all jene, die mitbekommen hatten, wie Cams unerschütterliche Liebe mich aufgebaut hatte.

In besonders anstrengenden Zeiten fiel ich noch in mein altes Diätmuster zurück. Erst während meiner Schwangerschaft, zwei Jahre später, erlebte ich den eigentlichen Durchbruch und fühle mich seitdem geheilt. Damals hatte mich Entsetzen darüber gepackt, dass ich nun immer schwerer würde – und doch durfte ich erleben, dass man diese Pfunde anschliessend wieder los wird.

Heute weiss ich, dass man sich wahre Liebe nicht mit einem schlanken Körper oder einem perfekt durchgeplanten Leben erkaufen kann. Und dieses Wissen macht mich glücklich und frei. Früher war ich überzeugt, dass Geliebt- und Schlanksein zusammenfallen. Aber wahre Liebe und Sicherheit kommen allein aus der Beziehung zu Gott.

Gott füllt jetzt bei mir die Leere aus, die ich so lange versucht habe, mir selber zu stopfen. Gott stillt mein Bedürfnis nach Liebe und Annahme und gibt mir Kraft.

Karen Schenk ist Leiterin von Woman Today Online und Herausgeberin des Women Today Magazine. Frauen in aller Welt will sie dabei helfen, Hoffnung und Frieden zu finden. Ihr Ehemann Cam und ihre drei kleinen Kinder stehen in ihrem Leben an erster Stelle. Karen Schenk hat Journalismus studiert, sie ist schriftstellerisch tätig und tritt auch als Rednerin auf. Ausserdem arbeitet sie im Bereich Grafik und Innenarchitektur.

Übersetzt und überabeitet von Livenet.ch

Autorin: Karen Schenk

Datum: 30.07.2004
Quelle: Woman Today

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