Heinz Strupler

Benjamin

Annelies und Heinz Strupler

Bei jungen Deutschschweizern war es damals oft üblich, im Anschluss an eine Berufsausbildung ein sogenanntes Welschlandjahr zu absolvieren. Auch ich ging zu diesem Zweck im Anschluss an meine erste Ausbildung als Gärtner ins Welsche, beziehungsweise in die französischsprachige Schweiz, um die dortige Sprache zu erlernen. Während rund neun Monaten arbeitete ich in Vevey in einer grösseren Gärtnerei mit.

In dieser Zeit fand ich meine Unterkunft in einer Pension, in der verschiedene junge Leute lebten, die ebenfalls für einen Sprachaufenthalt dort weilten. Einer von ihnen war Benjamin Egli, ein junger Mann, der versuchte sein Leben nach dem Vorbild von Jesus auszurichten. Er strahlte Natürlichkeit und eine gesunde Lebensfreude aus. Seine Art und seine Ansichten beeindruckten mich. Es war allgemein bekannt, dass er dem christlichen Glauben zugetan war. Vielleicht genoss er gerade deshalb unter uns viel Respekt, weil er zu seiner Überzeugung stand. Und dies auch dann, wenn nicht immer alle seine Auffassung teilten. Benjamin verkaufte uns nicht irgend eine Religion, sondern sprach vielmehr immer wieder von seiner persönlichen Beziehung zu Jesus. Wenn man in seiner Nähe war, so hatte man das Gefühl, als würde dieser junge Mann etwas besitzen, das einem selbst noch eher fremd war. Irgendwie bewunderten wir alle Benjamin. Denn es war nicht selbstverständlich, dass ein junger Mann mit soviel Überzeugung seine persönliche Meinung vertrat.

Während eines halben Jahres diskutierten Benjamin und ich fast täglich über verschiedene Glaubensfragen und über die Möglichkeit einer persönlichen Beziehung zu Gott. Im Grunde genommen sagte mir mein inneres Empfinden, dass er recht hatte. Doch da war in mir noch eine andere Stimme, die sich dagegen auflehnte. Es durfte doch einfach nicht wahr sein, dass alles, was ich bis anhin für richtig hielt, verkehrt war! Also diskutierte ich mit Benjamin - oftmals bis tief in die Nacht hinein - um in mir das Gefühl zu wecken, doch recht zu haben. So gewann ich zwar manche Wortschlacht, aber letztendlich verlor ich dennoch unseren kleinen Krieg.

Es war auch Benjamin, der mich erstmals einlud, gemeinsam mit ihm eine christliche Jugendgruppe zu besuchen. Was mich dabei tief beeindruckte, war der gegenseitige Umgang, den die Einzelnen miteinander hatten. Heute weiss ich, dass dies ein Ausdruck der Beziehung war, die die einzelnen Jugendlichen mit Gott pflegten. Es herrschte unter ihnen eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und der Wertschätzung. Ich hatte das Gefühl, dass sich hier einige Menschen zusammengefunden hatten, die auf einer höheren Ebene miteinander Gemeinschaft pflegen konnten. Da standen nicht Witze auf Kosten anderer im Mittelpunkt, sondern vielmehr eine gegenseitige Hochachtung. Es war eine Gruppe, in der man auf ganz natürliche und fröhliche Art und Weise zusammen Lieder singen, beten, diskutieren, verschiedene Ausflüge unternehmen und an diversen Anlässen teilnehmen konnte.

Meine Gefühle schwankten angesichts der dort vorhandenen Offenheit zwischen Verunsicherung und Begeisterung. Ich konnte das Ganze verstandesmäßig nicht einordnen, spürte jedoch, dass diese Jugendlichen etwas besassen, das ich mir zutiefst wünschte, selbst aber noch nicht hatte. Auch die Lieder, durch welche sie ihre Liebe zu Jesus emotionell zum Ausdruck brachten, bewegten mich damals sehr. Sie klangen irgendwie anders als das, was ich mir von der Kirche her gewohnt war. Sie sangen die Songs mit Überzeugung und Begeisterung.

Ich erinnere mich noch daran, wie einige Jugendliche und ich an einem warmen Sonntagnachmittag mit einem Boot auf den Genfersee hinaus ruderten. Plötzlich nahm ein Mädchen ihre Gitarre zur Hand und stimmte ein Lied mit folgendem Text an: "Heute will dich Jesus fragen: Bist du ganz für mich bereit?"
Zutiefst in meinem Inneren hatte ich den Eindruck, als würde durch diesen Text Gott höchstpersönlich mir diese Frage stellen. Als dann die letzte Strophe gesungen wurde, da ergriff mich das Ganze sehr stark: "Lass dich nicht von Menschen leiten, Menschen sind wie Laub im Wind; Jesus schafft Persönlichkeiten, die das Salz der Erde sind."
Genau das war es! Auch ich wollte eine Persönlichkeit, und nicht nur ein Blatt in Wind sein. Ich wäre ebenfalls gerne Salz der Erde, beziehungsweise ein Mensch gewesen, dessen Leben für andere zum Vorbild wurde. Mich berührte der Text dieses Liedes emotionell so sehr, dass ich plötzlich feuchte Augen hatte. Doch ich konnte ja nicht hier vor allen anderen Jugendlichen einfach losheulen und meinen Gefühlen freien Raum verschaffen. Ich bin doch keine Heulsuse: Ein 18jähriger heult doch nicht! Und überhaupt wusste ich ja auch gar nicht, wie genau man mit diesem mir noch immer unbekannten Gott in eine persönliche Beziehung treten konnte.

Einige Wochen später fragte mich Benjamin eines Abends:
"Heinz, möchtest du dich nicht für ein Leben mit Jesus Christus entscheiden?"
Ich verstand dies ungefähr so, als ob man sich für die Mitgliedschaft in einer Partei entscheiden würde. Dennoch sagte ich zu, obwohl ich meinem Verständnis gemäss ja bereits schon zu einer ‚Partei', nämlich zur evangelischen Landeskirche gehörte. Ich hatte aber den Eindruck, dass die meisten Jugendlichen aus unserer Gruppe einen intensiveren Kontakt zu Jesus pflegten als ich. Somit war ich daran interessiert, die Fronten zu wechseln. Denn wenn es wirklich möglich sein sollte, mit Jesus eine persönliche Beziehung pflegen zu können, dann wollte ich diese unbedingt haben. So knieten Benjamin und ich uns nieder und er begann zu beten. Dann forderte er auch mich auf, ein entsprechendes Gebet zu sagen. Ich brachte keinen Ton heraus und es war, als ob meine Kehle plötzlich wie zugeschnürt wäre. Doch Benjamin war geduldig und wartete noch eine ganze Weile, die mir schon fast zur Ewigkeit wurde, bis er endlich das erlösende "Amen" sagte.

Eine wirkliche Hinwendung zu Gott war dies nicht. Denn ich selbst war ja nur halbwegs bei der Sache, da Beni, wie ich ihn inzwischen nannte, das eigentliche Gebet sprach. Es fand dementsprechend in meinem Leben auch nicht die gewünschte Veränderung statt. Somit erlebte ich auch keine Steigerung meiner Lebensqualität. Auch die Albträume bezüglich des Alten waren immer noch da.

Nach wie vor ging ich auch weiterhin zusammen mit Beni zu den Jugendtreffs. Natürlich hatte es dort auch einige hübsche Mädchen und so war ich vereinzelt der Hahn im Korb. Dass einige mich attraktiv fanden, das spürte ich zum damaligen Zeitpunkt jedoch kaum. Vielmehr glaubte ich, dass sich für mich sowieso nie eine weibliche Person interessieren würde. Denn ich war der Ansicht, eine eher unattraktive Erscheinung zu sein, obwohl ich von meiner Arbeit her sonnengebräunt war und blondes lockiges Haar sowie blaue Augen besass. Ich litt auch unter Minderwertigkeitsgefühlen.

Rund zwei Monate später - es war inzwischen kurz vor Weihnachten - kam ich selbst zur Überzeugung, dass es nun an der Zeit war, in eine echte Partnerschaft mit Gott zu treten. Ich war, als diese Gedanken mich beschäftigen, alleine in meinem Zimmer. Ohne dass mir dies jemand geraten hätte, kniete ich mich vor meinem Bett nieder und bat Gott, mir meine Sünden und meine gemachten Fehler zu vergeben. Ich erlebte dieses Gebet auf den Knien so, als hätte ich gerade eine Privataudienz mit Jesus. Dennoch fiel kein Feuer vom Himmel. Es geschah auch kein Erdbeben noch erlebte ich bestimmte äussere Zeichen, so wie ich sie mir in meiner Fantasie erst vorgestellt hatte. Vielmehr war es wie eine liebende Umarmung meines himmlischen Vaters. Sie tat mir unendlich wohl.

Seit dieser Stunde, in der ich allein in meinem Zimmer diese Begegnung mit Gott hatte, änderte sich mein innerstes Wesen. Als ich wenige Tage später zu meinen Eltern nach Hause fuhr, um gemeinsam mit ihnen Weihnachten zu feiern, begrüsste ich als erstes meine Mutter, die gerade in der Küche am Wirken war:
"Hallo Mutti, ich bin wieder da! Es ist schön, wieder einmal zuhause zu sein", strahlte ich sie an.
Sie nahm meine Hand, blickte mir tief in die Augen und meinte:
"Heinz, du bist anders, was ist mir dir los?"
Eine etwas sonderbare Begrüssung.

Die zweite Person, die ich bei uns zuhause antraf, war meine jüngere Schwester Brigitte. Auch sie meinte ganz spontan:
"Heinz, du bist irgendwie anders."
In diesem Augenblick durchfuhr es mich: Hier kann es sich nur um das handeln, was ich wenige Tage zuvor mit Gott in meinem Zimmer erleben durfte. Plötzlich war mir klar, dass ich nun wirklich eine Beziehung zu Gott hatte. Diese Einsicht erfüllte mich mit einer grossen inneren Freude.

Das Kapitel ‚Benjamin' wurde entnommen aus ‚History Maker - Ein Leben das Geschichte schreibt' von Heinz W. Strupler, erschienen im Verlag Projektion J, einem Arbeitszweig der Gerth Medien GmbH., D-Asslar. - Ghostwriting: Urs-Heinz Naegeli, CH-Schiers.

Weitere Informationen über den Autor sowie eine Bestellmöglichkeit für das oben erwähnte Buch gibt's unter: www.historymaker.ch

Datum: 12.06.2003

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