Sieben Jahre lang lebt
Pete Benjamin von der Südküste Englands als «Victoria». Doch die Glücksgefühle,
die er erwartet hatte, bleiben aus – und Einsamkeit, Depression und
Selbstmordgedanken breiten sich aus. Bis er Akzeptanz und Respekt findet, wo er
es nie erwartet hätte.
Pete Benjamin (Bild: Screenshot Christian Concern)
Pete Benjamin zittert
stark beim Interview mit Christian-Concern-Mitarbeiterin Rebekah Moffett. Doch
das liegt nicht etwa an Nervosität – es ist der Nebeneffekt von allem, was er
durchgemacht hat: Alkohol, starke Medikamente, Hormone – und letztlich die
Geschlechtsumwandlungsoperation, die er heute so bereut.
Schon mit zehn Jahren
beginnt Pete, sich Frauenkleider anzuziehen, nachdem ihn seine Eltern mit zu
einer Kabarett-Show mitnehmen. Immer öfter zieht er sich die Kleider der Mutter
an und geht in die Bibliothek, um Bücher über Transvestiten zu finden; in den
1970er Jahren gibt es dazu noch nicht allzu viel Information.
Teufelskreis
Als er mit 16 in die
Armee geht, muss er seine heimlichen Wünsche unterdrücken. Schnell ist er
einsam und beginnt, Alkohol zu trinken. «Ich glaube, es gibt einen Zusammenhang
zwischen meinem Transvestismus und dem exzessiven Alkoholkonsum», erklärt Pete im
Rückblick. «Ich glaube, sie nähren sich gegenseitig. Ich trinke, um meine
Hemmungen zu verlieren im Bezug zum Transvestismus; aber ich schäme mich
deswegen und so trinke ich wieder…»
Auch nach der Zeit bei
der Armee wird es nicht besser. Zwei Ehen scheitern. Mit der dritten Frau wird
sein Leben wieder heller, doch nachdem sie 2011 an Krebs stirbt, greift er
sofort wieder zum Alkohol und beginnt erneut, Frauenkleider anzuziehen. Die
Depressionen werden immer stärker. Bis er beschliesst, eine Frau zu werden. «Ich
dachte, wenn ich eine Frau würde, wäre ich glücklich. Ich hätte ein anderes
Leben, könnte mir diese schicken weiten Röcke anziehen und durch die Blumen
tanzen…» Er spricht mit diversen Beratern im Internet – alle ermutigen ihn in
dem Schritt. 2012 wird er offiziell zu «Victoria», beginnt zunächst mit einer
Hormontherapie und schluckt über Jahre hinweg Tabletten.
Nicht wie erwartet
2015 zahlt er 10'000
Pfund, um sich in einer Privatklinik so schnell wie möglich umoperieren zu
lassen. Doch die Depressionen, das tiefe Gefühl der Einsamkeit und die
Selbstmordgedanken lassen auch Victoria nicht los. «Direkt nach meiner
Operation war ich glücklich. Aber als ich nach Hause kam, war ich nicht mehr
glücklich. Ich fühlte mich innerlich nicht anders, fühlte mich nicht wie eine
Frau. Und ich fiel wieder in meinen alten Lebensstil, war depressiv und trank
viel.» Nach der Operation hat Victoria zudem keinerlei psychologische Betreuung
– 2017 erleidet sie einen Nervenzusammenbruch. Täglich schluckt sie
Antidepressiva. Doch sie sieht keinen Ausweg: Jeder kennt sie jetzt als
Victoria, es ist zu spät, es kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Liebe und Respekt in
der Kirche
In dieser Ausweglosigkeit
besucht Victoria eine Kirche – wie wird man hier auf sie reagieren? Doch alle
behandeln sie mit Liebe, mit Respekt. «Mein Leben als Transgender war völlig
verkorkst, aber in der Kirche wurde ich akzeptiert. Sie brachten mir Liebe
entgegen…» Victoria bringt sich in die Gemeinde ein, nimmt an Events teil, auch
an einer evangelistischen Aktion am Karfreitag 2019. Hierbei fragt sie eine
Frau der Gemeinde, die sie nur als Victoria kennt, aus heiterem Himmel: «Wer
ist Pete?» Victoria antwortet: «Ich bin Pete.» Darauf sagt die Frau: «Gott
hat mir gesagt, dass ein Mann namens Pete nicht mehr als Frau leben soll.»
Victoria kommt ins Nachdenken, denn eigentlich weiss sie das schon länger. «Als
ich nach Hause kam, holte ich meine Bibel raus und betete. Ich wusste, dass
Gott und auch die Frau Recht hatten.» Er schmeisst noch am selben Tag die ganze
Frauenkleidung, die Perücken und das Make-up weg.
Wieder Pete – und
glücklich
Am nächsten Abend geht er
in die Gemeinde – nicht als Victoria, sondern als Pete. Hier erfährt er, dass
die Gemeindeglieder seit langer Zeit für ihn gebetet haben. Und er bekommt die
Unterstützung, die er früher vermisst hat. Es beginnt ein Prozess, in dem er
immer wieder bestärkt und gestärkt wird. «Wenn die Kirche nicht für mich
gebetet hätte, wäre ich heute immer noch Victoria, depressiv und selbstmordgefährdet…»
Heute sagt Pete, dass er
viel glücklicher ist, als Victoria es je war. Zwar konnte er seine
Geschlechtsumwandlung nicht wieder rückgängig machen, aber er ist frei und kann
er selbst sein. «Ich bin glücklich mit meinem Leben und ich habe Gott, ich habe
Jesus – das ist die Hauptsache! Jesus ist am Kreuz für meine Sünden gestorben
und er hat das alles für mich mit ans Kreuz genommen. Darüber bin ich so froh!»