Ein atheistischer Journalist begleitet eine Ex-Drogenabhängige, die sagt, Jesus habe sie gerettet. In seiner Reportage zeigt Mohamed Amjahid nicht nur ihren Lebensweg, sondern auch seine eigene Auseinandersetzug mit dem Glauben.
Hätte Kimberley Becker Gott nicht um Hilfe gebeten, wäre sie jetzt
vielleicht tot. Zumindest ist das ihre Version der Geschichte. In einer grossen Reportage
berichtet Mohamed Amjahid in der Zeit-Beilage Christ & Welt von
dieser Frau aus San Diego, die er erstmals vor zehn Jahren in San Diego
traf: obdachlos, abhängig von der Droge Chrystal Meth, krank und
verarmt.
«Kimberly Becker ist überzeugt, dass es Jesus war, der sie aus dem
Elend befreit hat», heisst es in dem Text, und weiter: «Sie sagt: 'Jesus
hat mein Leben gerettet.'»
Dann fing sie an zu beten
Zuerst habe Gott ihr geholfen, von den Drogen loszukommen – durch
eine Offenbarung. «Dann fing sie an zu beten. Nachdem sie jahrelang das
harte Leben auf der Strasse über sich hatte ergehen lassen, sprach sie
eines Abends zu Jesus. Sie betete und bat ihn, ihr den Weg ins Licht und
zur Erlösung aufzuzeigen. (…) Kurze Zeit später habe ihr der Herr
geantwortet: Sie bekam von einer christlichen Organisation eine
Übergangswohnung im Zentrum angeboten.»
So beschreibt Amjahid den Weg der heute 54-Jährigen, setzt sich aber
im Laufe des Texts immer wieder auch damit auseinander, wie er zu der
Bekehrung seiner Protagonistin steht.
«Der Zweifler in mir denkt: Natürlich hat sich Kimberley Becker
damals selbst in das Programm einer katholischen Hilfsorganisation für
Drogenabhängige eingeschrieben, hat sich mühsam durch die Entgiftung
gequält, natürlich hat sie sich auf das Übergangsapartment für
obdachlose Frauen beworben, sich nach drei Jahren einen Job gesucht und
arbeitet bis heute als Gesundheitsberaterin in einem christlichen
Zentrum für Drogenabhängige.»
Er reflektiert: «Ich höre ihr zu und frage mich, ob ich als Person,
die zwar religiös aufgewachsen ist, aber eine deutliche Distanz zum
Glauben eingenommen hat, etwas Grundsätzliches im Leben verpasse. Vor
allem die praktischen, überirdischen Abkürzungen, die Krisen mildern
oder erst gar nicht aufkommen lassen, einem den Seelenfrieden geben und
Tiefenruhe verleihen.»
Auch Unglaube kann überheblich sein
Amjahid kommt zu dem Schluss: «Kimberley Beckers weltliches Leben hat
sich jedenfalls aufgrund ihrer Religiosität eindeutig verbessert.»
Obwohl er nicht gläubig sei, empfinde er einen tiefen Respekt für die
Spiritualität von Kimberley Becker und warnt vor atheistischem Hochmut: «Es ist leicht, sich als modern und aufgeklärt über andere zu stellen.
Doch Unglaube kann genauso dogmatisch, überheblich und gewaltvoll enden
wie einige radikalisierte Ideologien, die sich auf Religionen berufen.
Die positive Kraft des Glaubens als Ungläubiger anzuerkennen fordert
zwar Überwindung, vor allem, wenn er für Aussenstehende schlicht
sinnbefreit und wenig zielführend erscheint, sie ermöglicht gleichzeitig
aber gegenseitiges Verständnis und Dialog.»