Über
Jahre wurde Nelly missbraucht. Die Heilung dieser Wunden aus ihrer Kindheit dauerte
viele Jahre. Heute freut sich die gebürtige Emmentalerin an erfahrener innerer Heilung
und an einem Leben in Freiheit, wie nur Jesus es geben kann.
Im März 1972 wurde Nelly als sechstes und
jüngstes Kind ihrer Familie geboren. Diese gehörte einer Sekte an, die stark
von religiöser und seelischer Manipulation und auch sexuellem Missbrauch
geprägt war.
Ausstieg und neue Probleme
Als Nelly vier Jahre alt war, wurde der
Sektenführer wegen sexuellem Missbrauch von Minderjährigen zu mehreren Jahren
Gefängnis verurteilt. Zwei Jahre später gelang der nicht einfache Austritt aus
der Sekte. «Der Grundboden in meinem Leben war die Liebe und Annahme meiner
Eltern», erinnert Nelly sich. «Gleichzeitig war ich umgeben von Todesangst und
dem Gefühl der Schutzlosigkeit.»
Gleichzeitig verliess ein Mann die Sekte, der ihrer
Familie in den folgenden Jahren sehr nahe stand. «Er war für mich eine
Vertrauensperson, er machte den Alltag bunter und lustiger.» Genau dieses
Verhältnis missbrauchte er zu sexuellen Übergriffen, während Nelly neun bis
vierzehn Jahre alt war. Der Mann war selbst ein missbrauchtes Waisenkind und
auch später durch traumatische Erfahrungen geprägt. Irgendwann führte er Nelly auch
in die Welt der Pornografie ein.
Offene Türen
Als Kind war es Nelly unmöglich, auf gesunde
Weise Grenzen zu setzen, einen gesunden Umgang mit ihrer Sexualität fand sie
nicht. Durch den erfahrenden Missbrauch wurde in ihrem Innern eine Türe für
Missbrauch durch andere Personen geöffnet. Bei einem dieser Täter kam bei Nelly
panische Angst auf, die später durch ganz verschiedene Umstände ausgelöst
wurde. Mit 13 war Nelly bereits süchtig nach Selbstbefriedigung und die Grenze vom
Opfer zur Selbstverantwortung begann zu verschwimmen. In der Folge waren Scham
und innere Leere ihre Begleiter.
Etwas Boden unter den Füssen
Obwohl sie sich grundsätzlich geliebt fühlte, war
Nelly unsicher und ständig auf der Suche nach Anerkennung. «Ich wusste nicht,
wer ich bin und worin mein Wert liegt.» Ab dem Alter von 14 suchte sie ihren
Wert beim männlichen Geschlecht. «Es fehlten mir Grenzen zum gesunden Ausleben
der Sexualität.»
«Schon als Kind rief ich Jesus in Notsituationen um
Hilfe.» In einem Jugendlager hatte sie Jesus in ihr Leben eingeladen, wandte
sich wegen ihres Lebensstils jedoch von ihm ab. «Heute weiss ich, dass Jesus
meine Einladung sehr ernst nahm und mir immer liebevoll zugewandt blieb.» Mit
18 lernte sie Roland kennen. «Bei ihm spürte ich, dass er vertrauenswürdig war und
ich mich sicher fühlte.» Die beiden wurden ein Paar und diese Beziehung gab
Nelly Stabilität.
Von dunklen Erinnerungen überrannt
Als Nelly 21 Jahre alt war kamen sie und Roland in
einem Kurs zum Glauben an Jesus. Sie integrierten sich in eine Freikirche,
heirateten und fanden neue Freunde, die ihrem Leben zu Stabilität verhalfen. In
diesen Jahren halfen Nelly und Roland bei der Durchführung eines Alphalive-Wochenendes.
«Während eines Vortrags kamen Erinnerungen an erlebten Missbrauch hoch, die
ich viele Jahre verdrängt hatte.» Es war, als öffnete sich eine Blackbox in
ihrem Inneren. «Es brauchte Mut, diese Erlebnisse zu erzählen.» Mit Roland ging
sie zu ihrem Pfarrer, wo sie zum ersten Mal in ihrem Leben auspackte. Die vielen
Erinnerungen schockierten sie.
Es war wie das Schälen einer Zwiebel
Nellys Seelenleben war in Aufruhr. Immer mehr
traumatische Erlebnisse fanden den Weg in ihr aktives Erinnerungsvermögen. Da
neben dem sexuellen Missbrauch auch okkulte Belastungen aus der Zeit in der
Sekte vermutet wurden, verwies man sie an eine erfahrene Seelsorgerin.
«Zunehmend wurde ich freier, konnte offen reden und Gefühle zulassen.» Es war
wie das Schälen einer Zwiebel: Schicht für Schicht konnte abgetragen werden.
In diesen Jahren wurden Nelly und Roland mit drei
Kindern beschenkt, welche Freude in ihr Leben brachten. Als diese klein waren,
durchlief Nelly erneut einen intensiven Prozess. «In alldem fühlte ich mich
Gott sehr nahe, lernte meine Identität als seine Tochter kennen.» Sie wurde frei
von Scham, lernte, ihren Tätern zu vergeben und erfuhr dadurch ganz neue
Freiheit. Noch immer litt sie aber an Platzangst, war oft von Angst gelähmt und
erlebte vereinzelt Panikattacken.
Noch mehr verdrängte Erinnerungen
Im Herbst 2012 kamen depressive Verstimmungen
dazu und im darauffolgenden Frühling kam der erlebte sexuelle Missbrauch noch
einmal mit aller Kraft hoch. «Ich erlitt eine Akutpsychose und war kurze Zeit
in der Klinik.» Verdrängte, tief in ihrer Seele vergrabene Erfahrungen fanden mit aller Wucht den
Weg in ihr Bewusstsein.
Zwei Nächte vorher hatte Nelly einen
unbeschreiblichen, übernatürlichen, göttlichen Frieden erlebt. «Das war wie ein
Händedruck Gottes, der mich durch die folgenden Wochen und Monate stärkte.» So
eine tiefe Begegnung mit Gott hatte sie vorher und nachher nie erlebt. Das gab
ihr Kraft, mit Hilfe von Fachpersonen das Vergangene noch einmal aufzuarbeiten.
Ein neues Leben in Freiheit
Über Jahre hinweg erlebte Nelly Schritt für
Schritt Heilung von ihren Traumata. Gleichzeitig wuchs ihre Beziehung und das Vertrauen
zu Jesus, wodurch sie in ihrer Identität gefestigt wurde. Inzwischen ist sie
seit 28 Jahren glücklich mit Roland verheiratet.
«Heute
bin ich frei von den alten Angstzuständen», sagt sie mit Freude. Seit Jahren
ist ihr der Bibelvers aus Johannes, Kapitel 8, Vers 32 wichtig: «Ihr werdet die Wahrheit
erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien!» Sie hat Befreiung und
Wiederherstellung erlebt, als verdrängte Erinnerungen ans Licht kamen und hat
Jesus persönlich kennengelernt. Durch die Beziehung mit ihm erkannte Nelly, wer
sie wirklich ist. Und darin liegt die grösste Freiheit!