Abenteuer Segelfliegen

«Mein Gott, wenn das nur nicht schiefgeht!»

Die Räder rumpelten holprig über die Wiese des Flugplatzes Hegmatten bei Winterthur. Der Pilot des Segelflugzeugs pendelt mit dem Steuerknüppel hin und her, beim Versuch das Schlenkern des leichten Rumpfs und das Auf und Ab der Flügel auszugleichen - nicht gerade zur Beruhigung meiner flatternden Nerven. Mein erstes Gebet stieg schon mal vorab in den Himmel: "Mein Gott, wenn das nur nicht schiefgeht!"
Segelfliegers
Der Segler lag unruhig in der Luft.
Die technischen Geräte funktionierten - aber beruhigten meinen Magen nicht.

Bevor ich mich ins schmale Cockpit des Segelfliegers gezwängt hatte, hatte ich wachsam das glänzende Gefährt umrundet, um mir einen Eindruck über dessen Zuverlässigkeit zu verschaffen. Der schmucke helle Flieger sah neu und gepflegt aus und imponierte mir mit seiner Flügelspannweite von über 20 Metern. Der Rumpf und die filigranen Flügel waren aus mit Glasfasern verstärktem Kunststoff gefertigt und wirkten tragfähig. Ein Blick aufs Instrumentenbrett beruhigte mich ebenfalls. Auch moderne Technik schien vorhanden zu sein. Ein Fahrtmesser, ein Höhenmeter und ein Variometer zur Anzeige von Steig- oder Sinkflug, ein Kompass und ein Funkgerät waren übersichtlich angeordnet.

Kein Grund zur Panik

Herr Baumann, der Pilot, hatte mir geholfen, die Gurten meines Fallschirms festzuziehen, und er hatte auch ein wachsames Auge beim Anschnallen im Cockpit. Alles schien Routine zu sein. Keinen Grund zur Panik, sagte ich mir. Ich versuchte mich auf dem hinteren Sitz zu entspannen und hielte den Fotoapparat bereit. Ich nahm mir vor regelmässig und tief zu atmen, um Stress zu vermeiden.

Ein gelbes Schleppflugzeug rollte herbei. Das Zugseil wurde eingelinkt. Ein Helfer hielte unsere Tragflächen gerade. Nach einem letzten Funkspruch gab der gelbe Riese Vollgas, und mit einem Ruck rumpelten wir los. Der Schlepper machte viel Lärm und wenig Boden gut, so schien es mir. Helfer und Publikum entschwanden unseren Blicken. Nach endlosen Sekunden spürten wir den Wind unter unseren Flügeln und der Segler hob ab.

Herrliches Gefühl

Endlich endete das fürchterliche Geholpere. Nun war auch der gelbe Schlepper in der Luft und zog mit uns im Schlepptau in die Höhe. Bäume, Häuser und Strassen zogen unter uns vorbei. Wir hatten abgehoben - ein herrliches Gefühl. Doch von einem sanften Gleitflug war bisher nichts zu spüren. Der Segler lag unruhig in der Luft. Das ist wegen der turbulenten Luft hinter dem Schlepper, die unser Leichtflugzeug nicht in Ruhe fliegen lässt, dachte ich mir. Es wird bestimmt ruhiger werden, wenn wir vom Schlepper abgehängt sind.

Die Minuten vergingen, und wir zogen über Winterthur Richtung Kreuzlingen davon. Felder und Siedlungen, Dörfer und Städte zogen vorbei, und bald glitzerten Rhein und Bodensee vor uns. Nach 10 Minuten kam der Moment des Abhängens vom Zugseil. Nach gegenseitigem Verabschieden per Funk war es soweit. Das gelbe Schleppflugzeug wackelte mit den Flügeln und setzte zum Steilflug nach unten an, während wir in knapp 2'000 Metern Höhe weitersegelten. Die Aussicht auf die Rheinmündung, den Untersee und Kreuzlingen waren grandios.

Anders als gedacht

Doch meine Magengegend schien das nicht zu berühren. Sie hatte sich schon seit einigen Minuten mit einem mulmigen Gefühl gemeldet, das stetig zunahm. Nach dem Abkoppeln vom Schleppflugzeug segelten wir lange nicht so ruhig dahin, wie ich mir das vorgestellt hatte. Der Steuerknüppel war immer in Bewegung, der Pilot musste dauernd ausgleichen, um das Gleichgewicht zu halten und den Sinkflug auf einen Meter pro Sekunde zu begrenzen. Um bei aufsteigender Thermik gar Höhe zu gewinnen, kurvten und kreisten wir am Himmel.

Eigentlich hatte ich mir einen Segelflug viel ruhiger vorgestellt. In meinen vielen Träumen war ich immer majestätisch, getragen wie von Adlerflügeln dahingeglitten. Und auch wenn ich Segelflugzeugen zugesehen hatte, wie sie ihre Bahn zogen, dachte ich, wie ruhig und friedlich es da oben sein müsste. Jetzt im Cockpit des Segelflugzeugs auf knapp 2000 Metern Höhe war alles anders. Der leichte Flieger flog selten ruhig dahin, dauernd war ein leichtes Auf und Ab zu spüren. Jedes Absacken des Flugzeugs schlug mir auf den Magen. Meine Magennerven hatten auch schon früher bei endlosen Passfahrten mit dem Auto gestreikt. Ähnlich fühlte ich mich nun auch im Cockpit des Segelflugzeugs. Ob es hier wohl auch Tüten für den Ernstfall gab? Ich hatte nicht daran gedacht zu fragen.

Not lehrt beten

Weitere Gebete stiegen auf: «O, Herr, lass meine strapazierten Magennerven zur Ruhe kommen. Nimm meine Angst und lass mich in Ruhe und Sicherheit dahinfliegen.» Bewusste tiefe Atemzüge halfen zur Beruhigung. Bei einem besonders turbulenten Flugabschnitt sackte die Maschine mehrmals durch, und ich war kurz davor, mein Mittagessen wieder herzugeben, als Herr Baumann sich erkundigte, ob alles ok sei. Seine Stimme klang besorgt. Er sass ja auch direkt vor mir. Meine keuchende Bestätigung schien ihn nicht zu überzeugen, und er meinte beruhigend, dass wir in wenigen Minuten zu Landung ansetzen würden. Ob ich Lust hätte, einmal selber ein Stück zu fliegen? Eigentlich hätte ich das sehr gerne getan, fühlte mich aber überhaupt nicht dazu in der Lage.

Ich zählte die verbleibenden Minuten bis zur Landung, aber sie kamen mir wie endlose Stunden vor. Doch Not lehrt beten. Ich legte Gott einmal mehr mein Schicksal in seine Hände und bat um seine Hilfe. Ein Bibelvers aus Psalm 139 kam mir in den Sinn: «Und nähme ich Flügel der Morgenröte und flöge bis ans äusserste Meer, so würde auch dort, deine Hand mich halten.» Diese Zusage wiederholte ich innerlich immer wieder. Wie durch ein Wunder beruhigten sich meine blanken Magennerven langsam, und ich konnte den Flug wieder anfangen zu geniessen. Ich fühlte mich gestärkt und geborgen.

Bald lag Winterthur vor uns, und unsere Wiese rückte ins Blickfeld. Gott sei Dank schien die Sache glimpflich zu verlaufen, Mit einigen Drehungen baute Herr Baumann Höhe ab und setzte routiniert zur Landung an. Als das Flugzeug wieder rumpelnd aufsetzte und über die Wiese holperte, war ich der glücklichste Mensch auf Erden. Das Geholpere war Musik in meinen Ohren, und das flaue Gefühl in der Magengegend verabschiedete sich leise.

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Datum: 25.05.2009
Autor: Willy Seelaus
Quelle: Jesus.ch

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