„Gott war wie ein warmer Mantel im kalten Wind“
Wie haben Sie die Zeit erlebt, als Ihr Mann zwar im Koma lag, aber Sie noch nicht wussten, wie alles ausgehen würde?
Petra Lütjen: Das war eine harte Zeit. Sie bestand aus Hoffen, Bangen, Beten, Kämpfen, Rebellieren – aus allem, was jemand durchmacht, der Abschied nehmen muss. Ich erlebte, dass in diesem Leben jedem alles passieren kann.
Wie hat Ihr Umfeld auf das Unglück reagiert?
Das Gute war, dass ich von meiner Familie und lieben Freunden sehr umsorgt wurde. Viele bangten und beteten mit. Bei ihnen war ich mit meinen Fragen, mit meinem Klagen und Schreien willkommen. Aber sie waren auch praktisch für mich da. Ich denke, dass Gott sie mir zur Seite gestellt hat. Überhaupt waren Beziehungen für mich in dieser Zeit das, was zählte. Ein Kollege hat mir ein Lied geschrieben, das mich sehr getröstet hat. Andere haben für mich eingekauft oder gekocht. Das waren Zeichen der Liebe. Und die helfen, so etwas durchzustehen.
Was empfanden Sie, als Ihr Mann starb?
Es war ganz hart, ganz unwirklich und unvorstellbar, an seinem Grab zu stehen. Man erlebt einen Menschen mit seinem Körper, seinem Lächeln, seinem Gang oder der Art, wie er einem die Hand entgegenstreckt. Und diese vertraute Hand dann zu beerdigen, das ist einfach grausam. Und es soll mir niemand sagen, es sei nicht so. In solchen Momenten weisst du: Der Tod ist der Feind des Menschen. Doch etwas gab mir Trost: Ich glaubte daran, dass Ralph nun bei dem Gott ist, an den er glaubte, und dass es ihm dort gut geht. Es hat mir geholfen, zu wissen, dass er von seinem Zuhause hier in sein ewiges Zuhause bei Gott gegangen ist, wo es kein Leid und keinen Schmerz und keine Tränen mehr gibt.
Gab es etwas Spezielles, das Sie in dieser Zeit ermutigt hat?
Ich hatte irgendwann einmal einen Satz von Jochen Klepper gelesen, der mir in dieser Zeit wieder in die Hände kam: „Manchmal meint man, Gott müsse einem in all den Widerständen des Lebens ein sichtbares Zeichen geben, das einem hilft. Dies aber ist sein Zeichen: Dass er es einen durchhalten, es wagen und dulden lässt.” Das stimmt. Man geht erst kleine Schritte, das Herz ist ganz zaghaft. Ich mag es nicht besonders, wenn man sagt: Da hat Gott mich getragen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Gott mich tragen würde. Aber er ging mit mir, er war wie ein Arm um die Schulter oder ein warmer Mantel im kalten Wind. Aber gehen musste ich schon selber.
Kann man die Frage nach dem Sinn immer beantworten?
Also, ich finde, nein. Das mögen andere anders sehen, aber ich glaube, dass nicht alles, was auf dieser Erde passiert, einen Sinn macht. Das hätten wir zwar gerne, damit wir Dinge immer einsortieren können. Aber das geht nicht, jedenfalls nicht in dieser Welt. Wir leben nicht im Paradies. Wichtig ist, dass wir wissen, mit wem wir so etwas durchstehen können, dass Gott unser Gegenüber ist.
Weiterführender Text:
Wie kann ich Gott finden?
Bearbeitung: David Sommerhalder
Datum: 12.12.2006
Autor: Sabine Schmidt
Quelle: Neues Leben