Veränderte Umstände

Was macht eigentlich Markus Dolder?

Mit seinen Liedern hat er eine Generation geprägt. Doch nach einem Hirnschlag war seine Fähigkeit, Lieder zu schreiben, weg. Inzwischen blüht er in neuen Aufgaben auf.
Markus Dolder (Bild: Livenet)

1982 am Chrischona-Jugendtag (heute CREA) gewann Markus Dolder den ersten Preis und damit einen Plattenvertrag. «So entstand die erste Platte mit dem Namen 'Was i bruche'.» Das gleichnamige Lied wurde zu einem der bekanntesten von ihm. Von da an hatte Markus Auftritte und seine Schallplatten verkauften sich gut – bis heute gingen 53'000 Tonträger über den Ladentisch. «Das war eine Zeit, in der man auch noch etwas am Plattenverkauf verdienen konnte.»

Im Laufe der Jahre konnte er zwölf Produktionen realisieren. Die letzte CD mit dem Titel «Reisendi» erschien 2013. Sollte es die letzte bleiben?

Ein Hirnschlag bringt alles durcheinander

2014 hatte Markus Dolder einen Hirnschlag. «Wie dies so üblich ist, kam dieser unerwartet und lange Zeit wusste ich nicht, was mit mir geschah – mein Umfeld auch nicht.» In der Notaufnahme wurde er untersucht. «Da das Problem nicht bestimmt werden konnte, folgten weitere Untersuchungen im Notzentrum der Psychiatrie.» Dort merkte man jedoch schnell, dass er am falschen Ort war. «Da ich weder Lähmungen noch eindeutige Sprachschwierigkeiten hatte, dauerte es, bis festgestellt wurde, dass ich mehrere Hirnschläge gehabt hatte.»

In der Folge half es ihm, bald wieder in seinen Beruf als Sozialdiakon einsteigen zu können. «Ich konnte dort anknüpfen, wo mir Arbeitsabläufe vertraut waren.» Gewisse Dinge waren verändert. Zum Beispiel war der ganze Bereich der Kreativität nicht mehr da. «Irgendwann musste ich erkennen, dass ich keine Lieder mehr schreiben konnte.» Durch Therapie konnten gewisse verlorene Fähigkeiten durch noch intakte Hirnbereiche kompensiert werden, neue Lieder entstanden jedoch keine mehr.

Loslassen und weitergehen

«Viele Jahre lang habe ich Musik gemacht und CDs aufgenommen. Jetzt musste mich plötzlich damit auseinandersetzen, dass dies nicht mehr möglich war.» Markus ist aber dankbar, dass er überhaupt noch Musik machen und sogar auf der Bühne stehen kann. «Die alten, vertrauten Lieder kann ich problemlos spielen.» Anstatt sich über die verlorene Fähigkeit des Komponierens zu beklagen, freut er sich über die Tätigkeiten, denen er heute nachkommen kann.

In der reformierten Kirche Köniz-Oberwangen arbeitet er als Sozialdiakon. «Es ist ein Glück, in dieser Funktion meine Musik einbringen zu können.» Er coacht Nachwuchsbands und leitet eine Kinderband für Kinderwochen. «Nachwuchsförderung wurde zu einer neuen Rolle in meinem Leben.» Von der Bühne entwickelt er sich zusehends zum Unterstützer hinter der Bühne. «Das ist wie ein Wechsel vom Spielfeld auf die Trainerbank. Das macht mir viel Freude.» Jährlich wird er von Studenten des TDS für einen Praktikumsplatz angefragt. Er liebt es, junge Menschen zu fördern.

Gerne zurückblicken...

Dankbar blickt Markus auf Jahre zurück, in welchen er Menschen durch seine Musik etwas weitergeben konnte. Lieder wie «Was i bruche», «Elohim», «d Freud am Herr», «Chönig Jesus» oder «Freu di doch» werden noch heute in Gottesdiensten gesungen. Auch die CDs, in welchen er Psalmen vertonte, werden noch immer oft gehört.

«Ich bin froh, dass ich nie von der Musik leben musste», hält Markus fest. Neben seinem musikalischen Engagement hatte er immer eine Anstellung – auch wenn diese viele Jahre in Teilzeit war. Auf diese Weise stand er nie in Versuchung, Kompromisse zu machen, um möglichst viele Hörer zu gewinnen. So hat er als Pionier des Schweizer Mundart-Lobpreis eine Generation geprägt. «Vielleicht werde ich eines Tages wieder Lieder schreiben können», hält er die Möglichkeit offen. Die Ungewissheit plagt ihn jedoch nicht. Er ist vielmehr dankbar für alles, was in der Vergangenheit war.

Wenn es um Dankbarkeit geht, unterstreicht Markus aber ganz besonders die Bedeutung seiner Familie. «Meine Frau Ursula war an meiner Seite massgeblich beteiligt in der Krise und hat mich unterstützt.» Er freut sich, sie heute in ihrer Selbständigkeit als Familienbegleiterin unterstützen zu dürfen. «Auch unsere drei Kinder, Simea (Jg. 1990), Joana (Jg. 1993) und Raphael (Jg. 1991) sind ein wesentlicher Teil der jetzigen Lebensphase.»

... und ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft

«Ich finde es toll zu sehen, wie man es heute wagt, neue Lieder zu schreiben. Viele Gemeinden haben ihre eigenen Lieder.» Markus freut sich, dass die Kreativität entdeckt und gefördert wird. «Der Nachteil ist sicher, dass ein gemeinsames Liedgut verloren geht. Jede Gemeindekultur hat ihre eigenen Lieder, welche man ausserhalb nicht mehr kennt.»

Positiv nimmt Markus den Einfluss christlicher Musik auf die säkulare Szene wahr. «Viele christliche Künstler versuchen gleichzeitig die Kirchen und auch die säkulare Szene zu erreichen. Das ist ein schwieriger Spagat.» Nun hat Markus Dolder aber die Rolle des Förderers eingenommen und weigert sich, neue Tendenzen zu bewerten. Er hütet sich auch, die Experimente Jugendlicher zu kritisieren. «Jede Generation von Musikern soll die Gelegenheit haben, Neues auszuprobieren, Dinge zu wagen und Fehler zu machen. Sonst entsteht nichts.» Markus weiss, dass er nicht mehr primär auf die Bühne gehört, sondern andere Aufgaben hat. Diese gilt es bestmöglich zu tun – und er tut es mit Freude.

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Datum: 29.03.2021
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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