Marcelo Bordon – VfB Stuttgart

Unfreiwilliger «Samba» in der Kirche

Marco Bordon
Bordon zeigt zu Gott
treu
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Bordon mit Hund
Zitat
Viel zu lachen mit Janaina

Brasilianer sorgen auf Europas Fussballplätzen für Offensivpower und nicht für Defensivbeton. Roberto Carlos (Real Madrid) ist die ausnahmebestätigende Regel, gleich wie Stuttgarts Verteidiger Marcelo Bordon.

Trockene Begrüßung von Trainer Magath: „Kannst du spielen?“ Fußballtrainer verstehen keinen Spaß, wenn sie am Tag vor dem Spiel nicht Bescheid wissen. Marcelo Bordon legt die Stirn in Falten und nickt: „Ich denke schon“. Wenn er ganz ehrlich ist, sollte er dem Trainer sagen, dass er bei jedem Schritt tierische Schmerzen im Fuß hat, aber irgendetwas läßt ihn noch zögern. Am Tag des Spiels sind die Schmerzen morgens beim Aufstehen immer noch da – „Eigentlich macht es gar keinen Sinn, überhaupt aufzulaufen“, denkt er sich, aber aufgeben will er auch nicht so schnell. In solchen Situationen betet Marcelo Bordon dafür, die richtige Entscheidung zu treffen. Irgendwie hat er nach diesem kurzen Gebet das Gefühl, an diesem Tag noch etwas ganz Besonderes zu erleben. Er hat Gott um Kraft für seinen Fuß gebeten und dafür, dass er die Schmerzen wegnimmt.

Das kann schief gehen...

Als er 20 Minuten später aus dem Fahrstuhl in Richtung Frühstücks-Büfett geht, versucht er nicht zu humpeln, aber die Schmerzen sind einfach da. „Nicht aufgeben “, murmelt er sich zu und begrüßt seine Kollegen. Beim Mittagsspaziergang nach der Taktikbesprechung hört er wieder in seinen Körper hinein. „Stuttgart, 13 Uhr, das Haar sitzt - und die Schmerzen sind immer noch da.“ Langsam macht sich Enttäuschung auf seinem Gesicht breit. „Warum habe ich denn eigentlich dafür gebetet, wenn es doch sowieso nichts bringt?“ Doch Marcelo Bordon will an diesem Tag kämpfen. Körper gegen Geist. Und wenn man ihn spielen sieht und erlebt, wie Bälle und Angreifer an seinem Körper nur so abprallen wie beim Squash, weiß man, dass da einer am Werk ist, der ungern aufgibt. „Einen Brasilianer in eine Hintermannschaft zu integrieren, ist ungefähr so, als würde man einen Roulettespieler bei einer Bank beschäftigen “, meint Reporter Rubenbauer. Doch ausgerechnet mit seinem brasilianischen Landsmann Lucio ist Bordon laut „Kicker “der beste Abwehrspieler der Saison. Doch das nützt ihm heute nichts. Die Schmerzen bleiben bis zur letzten Minute, und als Marcelo Bordon um 15:28 Uhr das Spielfeld im Gottlieb-Daimler-Stadion betritt, weiß er, dass es ziemlich schief gehen kann.

Während er Gegner abgrätscht und hohe Bälle aus dem Strafraum köpft, merkt Bordon, dass es von Minute zu Minute besser wird. Oder bildet er sich das nur ein? Eins ist sicher: Wenn er sich dafür entschieden hätte, zu Hause zu bleiben, hätte er nicht miterleben können, wie in der 35. Spielminute Seitz` Flanke auf seinem Kopf landet und er mit einem wunderschönen Kopfball zum 1:0 für die Führung gegen Schalke sorgt. Er hätte verpasst, wie ihn die Zuschauer beim Jubellauf feierten und die Journalisten ihn nach dem Abpfiff zum Spieler des Spiels wählten. Typisch für Bordon. Ein Zweikampf, den der brasilianische Nationalspieler für sich entschieden hat: Der Zweikampf seines Kopfes gegen sein Herz. Herzbube gewinnt.

Engel wartet in Kirche

“Genau das ist mir 1994 in Brasilien passiert. Eines der verrücktesten Erlebnisse, das ich jemals hatte – schließlich passiert einem so etwas ja auch nicht gerade jeden Tag. Brasilien, muss man wissen, ist ein sehr gläubiges Land – jeder glaubt hier an irgendwelche Geister, Heilige, Verstorbene und verschiedene Götter. Deswegen muss man schon ganz genau hinschauen, wenn man auf das Thema „Glaube “ angesprochen wird. Ich bin damals nicht in die Kirche gegangen, da mir das Ganze natürlich viel zu dubios und verrückt erschien. Aber ich muss zugeben, dass ich später darüber nachdachte und es sogar schade fand, diese merkwürdige Einladung verpasst zu haben. Vielleicht war da wirklich ein Engel gewesen und hatte auf mich gewartet. Hieran sieht man, dass wir Brasilianer alle irgendwie eine geistliche Ader haben und uns viel mit diesen Dingen beschäftigen – zumindest viel mehr als in der westlichen Welt. Eine Woche später bin ich dann aus lauter Neugier doch zu dieser Kirche gegangen. Ich versteckte mich ganz hinten in der letzten Reihe, damit mich der Pastor nicht sehen konnte. Trotzdem kam er direkt auf mich zu und sagte sofort:„Schade, dass du nicht da warst, du hast den Engel verpasst!“

Unfreiwilliger „Samba“

Während er wieder nach vorne ging, dachte ich: „Nein – wenn es Gott wirklich gibt, dann wird er auch auf dich warten und dir eine zweite Chance geben.“ Ich saß nun also in diesem Gottesdienst, hörte den Liedern zu und konzentrierte mich auf Gott – das war nicht einfach, da ich keine Vorstellung davon hatte, wie er war und was er von mir hielt und vor allem, ob es ihn überhaupt gibt. Während eines Liedes, dessen Text mich sehr ansprach, begann ich einfach zu Gott zu beten. Ich wollte, dass er mir ein Zeichen gibt, dass er immer noch da war und dass ich ihn nicht verpasst hatte. Plötzlich spürte ich eine Hitze in meinen Beinen – zuerst dachte ich, es wäre Zufall, aber auf einmal merkte ich, wie ich mit meinen Füßen immer wieder auf den Boden tappte. Ich versuchte meine Füße still zu halten, aber es ging einfach nicht – das war schon sehr merkwürdig für mich, da ich so etwas noch nie vorher erlebt hatte. Ich hatte tatsächlich die Kontrolle über meine Beine verloren. Es war, wie man es manchmal bei übernervösen Menschen sieht. Aber ich war gar nicht nervös, das hier war etwas anderes. Mein Gestampfe wurde natürlich auch von anderen Kirchenbesuchern bemerkt, so dass sich einige immer wieder nach mir umdrehten – rund 400 Besucher waren im Gottesdienst; etwas Peinlicheres gibt es eigentlich gar nicht! Aber auf der anderen Seite war ich viel zu sehr ergriffen davon, dass Gott tatsächlich eingreifen kann, wenn man etwas von seiner Größe erleben will, und ich hatte ihn ja quasi herausgefordert.

Marathon in Kirche

Natürlich würden manche gleich eine medizinische Erklärung wie „nervöses Muskelzucken“ parat haben – aber nur derjenige, der so etwas mal selbst an sich erlebt, kann es auch richtig einschätzen. Es war eine Begegnung mit einer unsichtbaren Größe. Viele Menschen haben eine gewisse Neugier auf eine unbekannte Macht und wollen erleben, ob es wirklich übernatürliche Dinge gibt. Sie versuchen dann Dinge wie Gläserrücken, Kontakt zu Verstorbenen aufnehmen und all diesen Kram. Aber sie wissen nicht, auf wen sie sich da eigentlich einlassen – es gibt in der unsichtbaren Welt eben nicht nur Gott, es gibt auch die andere Seite. Der Versucher, wie der Teufel in der Bibel genannt wird, hat auch übernatürliche Macht, doch sein Motiv ist nicht Heilung und Erkenntnis des Guten, sondern immer nur das Böse und die Zerstörung des Menschen. Ich wollte damals wissen, ob es diesen Gott, an den so viele glauben, tatsächlich gibt. Und wenn ja, dann wollte ich auch mehr über seinen Charakter erfahren. Ich glaube, dass sich Gott eben auf diese kuriose Art auf mich eingelassen hat. Es gibt ja unendlich viele Geschichten von so vielen Menschen, die mit Gott die unerklärlichsten Sachen erlebt haben. Viele davon kann man auch in der Bibel nachlesen. Mit normalem Verstand müsste man die eigentlich alle für verrückt erklären.

Aber Gott ist eben nicht „normal“ – er ist viel größer als unser beschränkter menschlicher Verstand. Gott liebt die Menschen und will, dass sie ihn erkennen. Als mein „Marschieren“ nicht mehr aufhörte, unterbrach der Pastor für einen Moment seine Rede und beruhigte die Gottesdienstbesucher: „Es ist eben der Heilige Geist, der über diesen Jungen gekommen ist. Beunruhigen Sie sich also nicht weiter.“ Und mit einem Augenzwinkern fügte er hin- zu: „Schließlich heißt es doch in der Bibel, wir sollen Gottes Soldaten sein, also lasst ihn marschieren.“ Als der Gottesdienst zu Ende war, waren meine Beine immer noch nicht unter Kontrolle zu kriegen. Ich musste wirklich über mich selbst und über diese kuriose Situation lachen und kam mir vor wie in einem Film. Wenn Menschen ihr Glück nicht fassen können, machen sie ja spontan Freudensprünge. So in etwa lässt es sich ausdrücken, was ich damals in diesem Gottesdienst körperlich erlebt habe. Es war noch viel schöner als der exzessivste Torjubel. Gott schien tatsächlich auf mein Gebet geantwortet zu haben. Das war einer der merkwürdigsten Tage in meinem Leben! Schließlich hat man als Profisportler seinen Körper voll im Griff, man kennt die Muskulatur und die Beschaffenheit seines Körpers sehr gut, aber diese Geschichte war einfach unbegreiflich – zu hoch für mich. Es war in meinem Leben die zweite Begegnung, die ich mit Gott hatte, und ich machte mir wirklich ernsthafte Gedanken darüber, wie ich mehr von diesem geheimnisvollen Gott erfahren könnte. Das war 1994. Eine wichtige Etappe auf der Suche nach dem Sinn meines Lebens. Das Jahr, in dem Brasilien Weltmeister wurde. Ein Land im Fußballrausch, und ich, ein Träumer, mit dem ganzen Leben noch vor sich, auf der Suche nach einer großen Fußballerkarriere – und nach Gott.
Mit dem Suchen und der Neugier fing alles an, denn es heißt ja in der Bibel: „Wenn man Gott von ganzem Herzen sucht, dann wird er sich auch finden lassen“ (Jeremia 29,13).

Marco Bordon...
...kam am 7. Januar 1976 in Ribeirao Preto zur Welt.
...ist verheiratet mit Janaina.
...spielte bei: Botafogo Ribeirao Preto. FC São Paulo. VfB Stuttgart.

Quelle: www.fussball-gott.com . Das gleichnamige Buch kann auf dieser Webseite bestellt werden.

Datum: 13.08.2003

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