Julia Medugno

Aus Burnout wurde Vorfreude

Julia Medugno befand sich in einer Lebenskrise, als sie eines Nachts eine CD einschob und die ersten Töne des Deutschen Requiems von Brahms erklangen. Der Choreographin war sofort klar, dieses gewaltige Werk müsste man tanzen. Die Musik rief in ihr Bilder hervor, die sie darstellen wollte.
Julia Medugno und der Chor bei der Probe

Die klaren, schnörkellosen Worte aus der Bibel haben ihr in ihrer Depression Kraft gegeben, erzählt Julia Medugno. Der Text spreche von Vergänglichkeit und Tod und werfe gleichzeitig einen hoffnungsvollen Blick auf den wahren Wert des Lebens.  

«In  den schlaflosen und von Trauer geplagten Nächten meines Burnouts 2008 habe ich in unserer CD-Sammlung das Brahms-Requiem entdeckt, das ich noch nie angehört hatte, und nun erlebte ich beim Hören im wahrsten Sinne des Wortes Wunder, fand Trost und Freude über das Leben im Hier und Jetzt sowie Vorfreude auf das ewige Leben wieder», erzählt Julia Medungo. Und weiter: «Die mir wohlbekannten Luthertexte wurden wie zu neuem Leben gerufen. Schon ganz am Anfang sind viele choreographische Bilder in meinem Innern entstanden. Da ich meine Choreographien nur noch zu Livemusik aufführe, dachte ich zunächst, dass so etwas niemals zu schaffen sei.» Doch es gelang...

Über 150 Mitwirkende

Das geschah vor fünf Jahren. Aus dem damaligen Impuls entwickelte sich die Idee, Chor, Orchester und Tanz in dem Requiem zusammenzubringen. Julia Medugno suchte nach einem Partner, der dieses Projekt mittragen würde. Der Regio-Chor Binningen sagte zu.

In der Zusammenarbeit verdichtete sich die Idee zum enormen Projekt. Gemeinsam setzten der Regio-Chor Binningen, das Orchester Collegium Musicum Basel und neun Tänzerinnen und Tänzer von «ultraSchall» dieses um. Mehr als 150 Mitwirkende beteiligten sich an diesem getanzten Chor-Konzert unter der Leitung des Dirigenten Bodhan Shved. Die Uraufführung fand in der Martinskirche in Basel statt.

Inspirationskraft

Für die singende Choreographin oder tanzende Sängerin sind Text und Musik zentrale Inspirationsquelle und Schöpfungskraft in ihrer Arbeit. Bei manchen Aufführungen bleibe gerade der Text im Hintergrund. Das Publikum schwelge in der Musik, während sich der Inhalt lediglich im Programmheft niederschlägt. Genau das will Julia Medugno nicht. In ihrer Choreographie will sie den Luthertext visuell umsetzen.

Zum Teil bewegen sich die neun Tänzerinnen und Tänzer in synchronen Formen oder übernehmen die Fugengestalten der Chorstimmen. An anderen Stellen, wie beispielsweise beim vierten und letzten Satz «Selig sind die Toten», tanzt das Ensemble gemeinsam als einheitlicher Körper und bewegt sich doch mit verschiedenen Gesten. «Es soll im gemeinsamen Atem die harmonische Einheit trotz aller Verschiedenheit der Menschen veranschaulichen», erklärt Julia Medugno. Mit ihrer Hand imitiert die 40-Jährige die tänzerischen Bewegungen. Die andere Hand blättert gleichzeitig in der Partitur, um ihr Vorhaben besser erklären zu können.

Zeitlose Texte

Julia Medugno möchte, dass die Tänzerinnen und Tänzer das Requiem durch die vertiefte Auseinandersetzung mit den zeitlosen Bibeltexten und der musikalischen Komposition verinnerlichen. Der kraftvolle Herzschlag des pulsierenden Requiems soll durch die TänzerInnen, den Chor, die Solisten und das Orchester spür- und sichtbar gemacht werden. Es ist das gleiche Pulsieren, das Julia Medugno spürte, als sie vor fünf Jahren die ersten Töne des Requiems hörte.

Für Julia Medugno bilden geistliche Musik und Tanz keinen Widerspruch. Bei vielen Komponisten seien Tanzmotive in die geistlichen Werke eingeflossen. So auch bei Johann Sebastian Bach, erzählt Medugno. Nach einer Aufführung der Matthäuspassion soll sich eine Dame beim Komponisten beschwert haben, dass er für solch einen Text eine «Tanzmusik» als Grundlage genommen habe.

Datum: 15.04.2013
Autor: Tilmann Zuber
Quelle: Jesus.ch

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