Dolmetscher Gottes

Manchmal muss er die Buchstaben zuerst erfinden

Fritz Goerling überträgt die Bibel in exotische Sprachen. Das hat durchaus seine Tücken. Er bewegt den Mund. Was heraus kommt, liegt vom Klang her irgendwo zwischen Schnalzen und Schmatzen. «Für solche Laute haben wir gar keine Buchstaben», sagt der Bibelübersetzer.
Fritz Goerling schrieb eine Bibelübersetzung in einer exotischen Sprache, für die es keine Schrift gab.

Für deutsche Ohren hört es sich einfach nur merkwürdig an, was da gerade aus Fritz Goerlings Mund kommt: unbekannte Lautfolgen, untermalt mit abgehacktem Gurgel- und Schmatzlauten. Die ungewohnten Töne gehören zur westafrikanischen Sprache Jula (Dyula), die vor allem in der Elfenbeinküste und in Burkina Faso gesprochen wird.

Eine Schrift für sie gab es bisher nicht – bis schliesslich Fritz Goerling mit einem Team die Bibel auf Jula übersetzt und für die rund eine Million Muttersprachler zugleich ein Alphabet entwickelt hat. Der 68-Jährige ist Sprachwissenschaftler, Islamkenner und Bibelübersetzer.

Kunst und Wissenschaft

«Übersetzung ist Kunst und Wissenschaft zugleich», ist Fritz Goerling überzeugt. Auf seine Arbeit habe er sich daher erst jahrelang vorbereiten müssen, erzählt der Junggeselle, der sein Übersetzerdiplom in Englisch und Französisch sowie einen Master in Sprachwissenschaft hat, in München und Jerusalem Hebräisch und in Paris Jula, Arabisch und Islam studiert sowie obendrein noch eine Bibelschule besucht hat. Neun Studiengänge zählt Goerling schmunzelnd zusammen.

«Jahre ohne Gott gelebt»

Zunächst deutete wenig darauf hin, dass Goerlings Lebensinhalt einmal die Bibel sein würde. Der Protestant, der in Greifswald und Schweinfurt aufgewachsen ist, hat zwar in seiner Kindheit und Jugend regelmässig den Gottesdienst besucht. Doch als er zu den Büchern von Sigmund Freud griff, wurde der Glaube des damals 23-Jährigen nachhaltig erschüttert. «Ich habe dann zehn Jahre ohne Gott gelebt und die Freuden des Lebens genossen», erinnert sich Goerling.

Die Wende kam, als seine Schwester und ihr Mann, die als Missionare in Papua-Neuguinea tätig waren, nach Deutschland zurückkehrten. Durch sie kam Goerling in Kontakt mit «Wycliff» – einer evangelischen Organisation, die sich für die weltweite Verbreitung der Bibel einsetzt und sich dabei auf Sprachen konzentriert, die noch keine Schrift besitzen. «Da hat mich Gott bei meinem Interesse gepackt und mich bekehrt», erinnert sich Goerling.

Schwierige Mission

1984 reiste er an die Elfenbeinküste. In den folgenden zwölf Jahren entwickelte er mit einem US-Amerikaner und zwei Julas ein Alphabet für die westafrikanische Sprache, die vor allem von Muslimen gesprochen wird, und begann mit der Bibelübersetzung.

Kein leichtes Unterfangen: Jula ist eine Tonsprache wie das Chinesische. «Ba» beispielsweise kann je nach Tonlage «Ziege», «Fluss» oder «Mutter» bedeuten. In tiefer Tonlage heisse es «Mutter», in der mittleren «Fluss» und in der hohen «Ziege». Eine Verwechslung könne da böse enden, sagt Goerling. Auch bei einem Satz wie «Gott ist die Liebe» sei Kreativität gefragt. Das Jula-Übersetzungsteam löste die Passage schliesslich mit «Gott tut alles mit Liebe» auf.

«Nur Gott kann bekehren»

In einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) antwortete er auf die Frage, wie viele Muslime er bekehrt habe: «Nur Gott kann bekehren, nicht wir. Mit der Übersetzung streuen wir nur den Samen dafür aus.» «Wycliff» verbreite die Botschaft Jesu. Die könne man annehmen oder ablehnen. Er selbst sei befreundet mit einem muslimischen Professor an der Universität von Abidjan: «Er will mich bekehren und ich ihn. So ist das.»

Für Fritz Goerling geht im kommenden Jahr ein grosses Kapitel seines Lebens zu Ende. Das Neue Testament ist inzwischen fertig in Jula übersetzt, 2012 soll dann die gesamte Bibel veröffentlicht werden. «Da reise ich natürlich an die Elfenbeinküste», sagt Goerling. «Einem ganzen Volk die Bibel zu öffnen – das ist doch was».

Datum: 12.12.2011
Autor: Bruno Graber
Quelle: FAZ / pro / epd / Jesus.ch

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