Tschechischer Pastor Josef Sedlacek

Der Geheimpolizei mit Schlauheit und Gottvertrauen getrotzt

Das Ende der kommunistischen Herrschaft in der Tschechoslowakei liegt erst 16 Jahre zurück. Vorher überwachte die Geheimpolizei alle Pastoren. Auch Josef Sedlacek. Er und seine Frau Suzana widerstanden dem Druck des gottlosen Systems, dem jede lebendige christliche Gemeinde ein Dorn im Auge war.
Suzana und Josef Sedlacek
Damals war’s bitterernst, heute erzählt er’s lächelnd: Josef Sedlacek
„Tunnels gegraben, um Bücher zu verstecken“: Strasse in Prag.
Vom Westen abgeschottet: Die Karlsbrücke in Prag in den 70er Jahren
Unermüdlich: Suzana und Josef kurz nach ihrer Flucht in die Schweiz 1979…
… und heute in ihrer Wohnung in Winterthur.

„Zu Hause haben wir die Bibeln in Säcken unter der Kohle im Keller versteckt. Wir haben Tunnels gegraben, um die kostbaren Bücher vor den gefürchteten Hausdurchsuchungen zu verbergen. Immer waren wir unter Spannung, da uns die Geheimpolizei beobachtete.“

Josef Sedlacek, der in den ersten Jahren der kommunistischen Herrschaft in Prag Theologie studiert hatte, wagte diese verbotenen Aktivitäten, obwohl er als Sohn einer jüdischen Mutter um die Grausamkeit totalitärer Regimes wusste: In Nazi-KZ kamen 22 seiner Verwandten um.

Wie die Katze mit der Maus

Das Regime versuchte das kirchliche Leben mehr und mehr abzuwürgen. Die Sedlaceks arbeiteten als Pastoren in der Methodistenkirche. „Die Polizisten lauerten uns auf wie die Katze der Maus. Hätten wir nicht ihre Methoden gekannt und neue Wege gefunden, als Christen zu leben, wären wir ins Gefängnis gekommen – oder sie hätten kurzen Prozess mit uns gemacht.“

Wie arbeitete die Geheimpolizei? Josef, der heute in Winterthur lebt, denkt an ein bestimmtes Ereignis zurück: Einen Unfall im Herbst 1972, an der Grenze zwischen Mähren und der Slowakei. Er war mit dem bekannten deutschen Bibellehrer und Autor Rainer-Friedemann Edel unterwegs, um im anderen Landesteil Pastoren zu besuchen. „Bruder Edel und ich wollten im Geheimen mit Predigern zusammen kommen und christliche Gemeinden ermutigen.“

Der Unfall

„Die Sonne stand tief über dem Horizont, so dass Edel, der am Steuer sass, stark geblendet wurde. Er passierte einen unbewachten Bahnübergang und merkte zu spät, dass ein Güterzug sich näherte. ‚Jesus!’ rief ich, worauf der Fahrer bremste – zu spät: Der Zug erfasste unser Fahrzeug und schleuderte es einige Meter weit weg.

Ich brach mir die Hand, schlitzte mein Gesicht auf, das Ohr hing herab. So lag ich unter dem Wagen – das volle Gewicht drückte auf meinen Brustkorb. Ich hörte Bruder Edel fragen: ‚Josef, lebst du?’ Antwort gab ich nicht, weil ich nicht atmen konnte. Er rief verzweifelt: ‚Oh Herr, jetzt ist Josef gestorben’, obwohl ich nicht tot war. Mühsam konnte ich mich befreien und hervorklettern.“

Zuerst die Bücher

Der Verkehr staut sich, Polizei- und Krankenwagen treffen auf der Unfallstelle ein. Die grösste Sorge gilt nicht den Verletzten, sondern ihren Büchern! Kofferweise haben sie christliche Literatur dabei, deren ungenehmigter Transport in der Sozialistischen Republik streng verboten ist. Die Polizisten schieben die beiden in den Krankenwagen, konfiszieren die Bücher und fahren in die nahe Stadt.

„Wir kamen ins Krankenhaus, aber nicht um verarztet zu werden: Der Befehl der Polizei war, dass wir da nicht behandelt werden dürften! Wir sollten kein Wasser, keine Nahrung und keine Behandlung erhalten, bis die Polizei zum Verhör bereit war. Zum Glück setzte sich der Chefarzt für uns ein und gab bekannt, dass er uns erst ab 5 Uhr nachmittags freigeben könne. Bis dahin pflegte er uns – entgegen dem polizeilichen Befehl.“

„Wir haben ihm von unserem Glauben an Christus erzählt. Eigentlich wollte ich ihm etwas zum Lesen geben, doch dann klopfte es an die Zimmertüre. Ein Kapitän in Zivil trat ein. Ich liess die Schrift über den christlichen Glauben schnell verschwinden und wir wurden zum Verhör geführt.“

Das Verhör

„Wir wurden in separaten Räumen verhört. Sie wollten uns gegeneinander ausspielen, damit wir Geheimnisse verraten würden. Die Waffe des Kommunismus war Verrat und Lüge. Doch wir liessen uns nicht runterkriegen: Bruder Edel war sehr schlau. Er sagte, dass er als Tourist in dieses schöne Land gekommen sei. Er kenne die Destination der Reise nicht, ich allein wisse, wo wir hinführen.

Ich selber gab als Reiseziel einen Touristenort in der Hohen Tatra an, der über acht Fahrstunden entfernt war. Die Wahrheit war, dass wir etwa ein Dutzend christliche Gemeinden besuchen wollten. Das war strengstens verboten – dazu kam, dass diese Gemeindeleiter vom Besuch wussten und ganz sicher ins Gefängnis gekommen wären, wäre die Polizei dem auf die Schliche gekommen.

Wir waren beide erschöpft. Bruder Edel hatte eine schwere Gehirnerschütterung. Trotzdem wurden wir stundenlang verhört. Über fünf Stunden mussten wir ausharren. Wir beide waren für kurze Zeit bewusstlos und mein Freund schlief während des Verhörs im Sitzen mehrmals ein. Nach dieser Zeit wurden wir noch gemeinsam verhört. Die Polizei kam auf die Bücher zu sprechen. Es waren Bibelauslegungen und –kommentare, die Bruder Edel meist selber geschrieben hatte. Er wollte die beschlagnahmten Bücher zählen, was den Beamten missfiel. Als er ankündigte, er werde das deutsche Konsulat anrufen, wagten sie nicht, ihn weiter auszuquetschen.“

Weil die Polizei den beiden Christen keine verbotenen Kontakte nachweisen kann, lässt sie sie frei. Sie müssen sich selber um Übernachtung und Heimreise kümmern. Mit blutverkrusteten Kleidern und vielen Verbänden kommen sie in einem Hotel unter – denn im Spital werden ihre Wunden zwar genäht, aber nicht gewaschen. Josef leiht Geld aus, um nach Hause zu fahren – einen Teil der Strecke müssen sie trotz den Verletzungen zu Fuss zurücklegen. Nur knapp entgehen sie einem Überfall, bei dem ihnen ein Dieb das allerletzte Hab und Gut stehlen will.

Die Heimreise

So sehr man die beiden einzuschüchtern versuchte – das Vorgefallene hat sie nicht zum Schweigen gebracht: Auf der Heimreise erzählt Josef Sedlacek verschiedenen Leuten vom Unfall, dem Verhör – und dass sie auf Jesus Christus vertrauen. Einige Menschen sind interessiert. Zu Hause angekommen, bringt er seine Kontakt-Adressen in Sicherheit. „Bei einer Hausdurchsuchung hätte man sie konfisziert und alle wären ins Gefängnis gekommen – ich mit ihnen“.

Jahrelang widerstehen Josef und Suzana Sedlacek dem Druck und arbeiteten trotz Überwachung, Schikanen und erschwerten Lebensbedingungen weiter. 1979 fliehen sie in die Schweiz. Noch heute besuchen sie, über 80-jährig, christliche Gemeinden in ihrer alten Heimat, predigen und beten mit Hilfesuchenden.

Datum: 18.07.2006
Autor: Thomas Gerber
Quelle: Jesus.ch

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