Als Christ bei der Weltbank

Wenn Überzeugungen einen Preis kosten

Nach Jahrzehnten in den USA lebt Ernst Lutz heute als Rentner in Thierachern. An seine Zeit bei der Weltbank hat er schöne Erinnerungen, musste aber auch erfahren, dass der Glaube einen Preis kosten kann.
Ernst Lutz mit seiner Frau Marcella (Bild: zVg)

«Du hattest sicher gute Beziehungen, um eine Stelle bei der Weltbank zu erhalten.» Diesen Kommentar muss Ernst Lutz (73) jeweils verneinen. Als Sohn einer einfachen Bauernfamilie im Rheintal konnte er auf keine Verbindung mit «wichtigen Leuten» setzen. Trotzdem glaubt Ernst, aufgrund von Beziehungen zu seinem Job gekommen zu sein. «Ich habe eine Beziehung zum Herrn Jesus, der mir Türen geöffnet hat.» Auf jeden Fall glaubte er, an dem Ort zu sein, an dem Gott ihn haben wollte – doch dann wurde er gefeuert.

Armer Schweizer Bauernbub landet in Washington

Nach dem Agronomie-Studium an der ETH erhielt Ernst ein Stipendium und vollen Erlass des Studiengeldes an der Miami University. Anschliessend öffnete sich eine Türe an der Universität Kalifornien, wo er eine Assistenzstelle erhielt und seinen Doktortitel erwarb. Als er sich daraufhin auf eine der 25 angebotenen Stellen der Weltbank bewarb, wurde er aus den über 5'000 Bewerbern ausgewählt, um bei der Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern mitzuwirken.

«In einer Bibelgruppe an der Weltbank habe ich dann meine Frau Marcella kennengelernt. Wir heirateten 1983.» Von da an war klar, dass Ernst mit seiner jungen Familie – Marcella und Ernst wurden drei Töchter geboren – erst einmal in den USA bleiben würde. Letztlich arbeitete er 29 Jahre für die Weltbank. Im Jahr 1999 sah es jedoch so aus, als würde seine Karriere zu einem abrupten Ende kommen.

Die falsche Weltanschauung?

Mit seiner aktiven Teilnahme an den Bibelgruppen und dem Buch «Ohne Schöpfung kein Leben» sowie Buchbesprechungen zum Thema «Schöpfung oder Evolution» rief Ernst unbeabsichtigt Widerstand hervor. Dies, obwohl diese Publikationen strikt auf privater Ebene erfolgten. Dass sich ein renommierter Agrarökonom der Weltbank für die Schöpfung starkmachte, war einigen ein Dorn im Auge. Für Ernst waren die Argumente für die Evolution aber schlicht nicht schlüssig. «Werden bei der Evolutionslehre tatsächlich Fakten gelehrt?», fragte er deshalb. «Oder handelt es sich doch eher um ein Wunschdenken?»

Plötzlich wehte Ernst ein rauer Wind entgegen. «Lutz ist zu nichts nützlich», sagte der Vizepräsident für anhaltende Entwicklung. Mit den vorgebrachten Begründungen für diese Behauptung entlarvte er sich aber selbst der Lüge. «Die Resultate mit verschiedenen Weltbank Publikationen und Projektarbeiten sprachen für sich», hält Ernst fest. Doch da wollte niemand so genau hinsehen und Ernst wurde entlassen. «Obwohl dies normalerweise das Ende einer Karriere bedeutet, verzichtete ich auf einen Rekurs.» Die Weltbank hat erstklassige Anwälte und ein Kampf wegen Falschaussagen oder unrechtmässige Kündigung schien erfolglos. Ernst schien Opfer seiner christlichen Weltanschauung geworden zu sein.

Eine unerwartete Wende

Ernst stand unter Schock! Hatte denn nicht Gott die Türe in die Weltbank geöffnet? Er konnte es nicht glauben. Den betreffenden Menschen zu vergeben, war eine grosse Herausforderung. Und dann sollte er auch noch für diejenigen beten, die ihm Böses getan hatten. Ernst versuchte, dies zu tun, seine emotionale Verfassung sprach aber eine ganz andere Sprache. «Ein gläubiger Freund empfahl mir, mich nicht auf meinen Verstand zu verlassen, sondern weiterhin auf Gott zu vertrauen.» Und tatsächlich: Auch wenn er vieles nicht verstand, war Gott dabei, etwas Neues zu tun.

Der Direktor der ländlichen Entwicklung für Afrika nahm Ernst überraschend in seinem Team auf. So blieb Ernst nahtlos innerhalb der Weltbank und sollte in den folgenden Jahren 25 afrikanische Länder bereisen, um Entwicklungsprojekte zu lancieren und zu begleiten oder angewandte Forschungen zu betreiben. «Für mich war der neue Job kein Rückschritt – im Gegenteil. Beruflich entwickelte es sich zu einem Highlight.»

Gott lässt seine Leute nicht im Stich

Die Erfahrung, dass Gott ihn nicht im Stich liess, als seine Karriere am Ende schien, ermutigte Ernst und stärkte seinen Glauben an den treuen dreieinigen Gott. Dies schloss auch ein, seine Arbeit ehrlich und gewissenhaft zu machen. Entsprechend war auch sein Ruf. Während ein paar Verantwortliche der Weltbank längst schon nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten, beauftragten andere ihn selbst dann noch, als Ernst im Ruhestand war (nach Frühpension).

Einmal wurde er gebeten, eine Evaluation des Victoria Projekts zu machen. Diese fiel dann aber nicht so positiv aus, wie es zum Erhalt weiterer Finanzen nötig gewesen wäre. «Soll man lügen, um weiteres Geld erhalten und einsetzen zu können?», fragt Ernst, als er aufgefordert wurde, einen positiveren Bericht zu verfassen.

«Ethik und Wahrheit sind nicht mehr so zentrale Werte wie in früheren Jahrzehnten», hält Ernst heute fest. «Fakten stehen nicht mehr im Zentrum wie früher.» Inzwischen lebt er mit Marcella in der Schweiz und seine Töchter sind erwachsen. Eine Sache hat er aber gelernt: Es lohnt sich, für seinen Glauben und die daraus resultierenden Überzeugungen einzustehen. Letztlich wird Gott sich dann zu ihm stellen – selbst wenn er durch schmerzhafte Erfahrungen hindurch muss.

Zum Thema:
Spannungsfelder in Gemeinden: Verschiedene Weltanschauungen und Überzeugungen
Konflikte in Nord und Süd: Ruf aus Afrika: «Vergissmeinnicht!»
Dürrekrise in Ostafrika: Der Hunger in Afrika geht uns was an

Datum: 07.09.2022
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service