Burnout

Mit offenen Augen ins Tief gerutscht

Vielen Patientinnen hatte sie geduldig zugehört. Bis bei ihr selbst die genau gleichen Symptome auftraten: Angst vor dem neuen Tag, unsichere Bewegungen, innerer Rückzug. Jetzt brauchte die Krankenschwester selber jemand, der ein offenes Ohr für sie hatte.
Meieli Moser

Meine Hauptaufgabe ist die Patientendisposition. Als einer der ersten Ansprechpersonen kommen mir da am Telefon oder in persönlichen Gesprächen viele Nöte, Ängste und Hilfeschreie entgegen. Wie oft erkenne ich mich selber in diesem Erlebten. In meinen jungen Jahren, zu Hause im Emmental und später als Krankenschwester, sprach man kaum von Depression; nur von Schwermütigsein oder einem schweren Gemüt.

Man wüsste es ja ...

In meinem Leben kenne ich einige Stationen, wo ich an meine Grenzen gekommen bin. Ich wusste diese jedoch geschickt zu ignorieren, arbeitete mit noch mehr "Leistung" dagegen an und überschritt schliesslich die Schwelle. Mit dem Kopf erkennt man diese Symptome ja ziemlich genau, diese Muster des Verdrängens. Sicher ist es wertvoll, wenn man viele Gaben und Fähigkeiten besitzt und mit schwierigen Problemen umgehen kann. Aber es ist bestimmt nicht Gottes Wille, diese Gaben zu überspannen und dann daran zu zerbrechen.

Eine solche Erschöpfungsdepression, heute besser bekannt unter dem Begriff "Burnout-Syndrom", hat auch ihre Alarmzeichen:

- Man schläft nur schwer ein, wacht aber andererseits sehr früh wieder auf.
- Am Morgen fällt es einem schwer aufzustehen, und man hat Angst vor dem Tag.
- Es fällt einem noch schwerer als sonst, nein zu sagen.
- Bei mir selber wurden die Bewegungen noch schneller und kantiger als normal, meine Sätze beim Sprechen noch abgehackter.
- Ruhiges Zuhören wurde mir zur Qual.

Dies alles löste in mir die grosse Angst aus, ich könnte mein Gesicht verlieren, wenn ich keine Leistung mehr zeige, sondern "versage".

Der innere Rückzug

Meine engsten Mitarbeiter in der Klinik merkten damals wahrscheinlich wenig von alledem. Ich verwendete viel Energie aufs Verdrängen, und ich befand mich eher in einer Phase, in der ich mich zurückzog. Einzelne müssen dennoch etwas mitbekommen haben. "Meieli, wir alle haben dich nötig und brauchen dein Vorangehen", klopfte mir eine Stationsleitung auf die Schulter. Ein Arzt konnte mir auch sagen, dass er meinen schnellen Gedankenfetzen nicht folgen könne. Im ersten Moment tat dies weh, und doch war diese ehrliche Zurechtweisung sehr hilfreich.

In einer internen Schulung hörte ich, dass jeder Mensch seinen persönlichen Seelsorger braucht. Aber welcher Seelsorger wäre mit mir und meiner Situation nicht überfordert? Wenn schon, dann sollte es eine neutrale Person sein, die weder mit der Klinik noch mit meiner Gemeinde etwas zu tun hat. Nach langem Ringen fand ich - oder zeigte mir Gott - so jemand. Sie hatte die Gabe und den langen Atem, mir einfach mal zuzuhören.

Schmerzen loswerden

Mitten in einem Gespräch jedoch unterbrach sie mich und hielt ihren Finger genau auf eine wunde Stelle: "Das müssen wir angehen und aus dem Weg räumen." Schliesslich konnte ich auf Menschen zugehen, die mich beleidigt hatten oder denen ich selber Schmerzen zugefügt hatte. Ich konnte sie um Vergebung bitten und auch selber ihnen vergeben. Fazit: Durch all das Erlebte, durch alle Krisen, welche ich durchbuchstabiert habe, durfte ich viel Heilung erfahren. Ich halte jetzt das Alleinsein besser aus.

Dossier zum Thema: www.jesus.ch/burnout/
E-Mail-Beratung: www.lebenshilfe.jesus.ch

Autorin: Meieli Moser
Quelle: Stiftung für Ganzheitliche Medizin

Datum: 27.03.2006

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