Als Cyntoia Brown-Long (32) noch die High-School besuchte, wurde sie von ihrem vermeintlichen «Freund» sexuell missbraucht und in die Prostitution getrieben. Bald darauf landete sie sogar im Gefängnis. Wie kam es, dass sie heute wieder lachen kann?
Cyntoia Brown-Long (Bild: Instagram)
Ihre Kindheitsträume änderten sich
oft: «Einmal wollte ich Architektin werden, dann wieder Ingenieurin.» Als Kind
wusste ich noch nicht genau, was das bedeutet, «es klang einfach schick.» Am Sonntag ging die Familie in eine
Baptisten-Gemeinde, doch in der Schule begann Cyntoia, mit den falschen Leuten
herumzuhängen.
Sie geriet in die Mühle jugendlicher
Straftäter, wurde straffällig und landete in Nashville auf der Strasse. «Ich
fing an, Drogen zu nehmen, Marihuana zu rauchen und regelmässig Kokain zu
nehmen.» Von einem Drogenhändler dachte sie,
dass dies ihr Freund wäre – sie war 16 Jahre alt, er 24. Die beiden lebten in Motels,
sie musste anschaffen gehen. Kam sie ohne Geld zurück, schlug er zu und
vergewaltigte sie.
«Du bist eine Schlampe, niemand
will dich»
Cyntoia mit ihrem Buch
Er sagte ihr, dass sie eine
Schlampe sei und niemand sie wolle. Das Beste sei, wenn sie lernen
würde, eine gute Schlampe zu sein.
2004 traf sie einen 43-Jährigen,
der Sex mit ihr wollte. Bei ihm Daheim zeigte er ihr zuerst seine
Waffensammlung. Sie bekam es mit der Angst zu tun und fürchtete um ihr Leben. «Ich habe ihn schliesslich erschossen, weil ich Angst davor
hatte, was noch passieren könnte.»
Sie nahm das Portemonnaie mit, um
es ihrem Zuhälter abzugeben. Cyntoia wurde wegen Mordes verhaftet. Ihr wurde
erklärt, dass sie mindestens 51 Jahre absitzen müsse, bevor Sie überhaupt für
eine Freilassung in Betracht kommen würde, offiziell erhielt sie «lebenslänglich».
Dennoch bedeutungsvoll
Die 16-Jährige wurde nach dem
Erwachsenenstrafrecht beurteilt, heute würde sie als Menschenhandelsopfer
gelten. Es dauerte zehn Jahre, bis sie realisierte, dass sie ein Opfer gewesen
war. «Ich wusste, dass es einen Weg gab,
wie ich eine Art bedeutungsvolles Leben im Gefängnis führen konnte.» Ihre
Familie sei immer noch für sie da gewesen. «Um meiner Mutter willen wollte ich
ein sinnvolles Leben führen.»
Sie konnte an der lokalen Lipscomb
University an einem College-Kurs teilnehmen und es gelang ihr, im
Gefängnisumfeld die richtigen Entscheidungen zu treffen und sich aus Schwierigkeiten
herauszuhalten. Und sie fand zurück zu ihrem Glauben aus der Kindheit.
Verbrannte Briefränder
Cyntoia Brown-Long mit ihrem Mann Jamie
Cyntoia erarbeitete sich einen
Bachelor-Abschluss und drehte 2011 einen Dokumentarfilm über ihr Leben. Ihre
Geschichte ging um die Welt. 2017 lernte sie den christlichen Musiker Jamie
Long kennen. Via Youtube sah er die Dokumentation und schrieb Cyntoia einen
Brief. Sie hatte viel Post erhalten und nie zurückgeschrieben … ausser bei
Jamie, der die Ränder des Briefes verbrannt hatte.
Jamie erinnert sich: «Ich hatte den
Brief bereits in das Couvert gesteckt, als ich spürte, wie Gott mir sagte, dass
ich ihn noch einmal rausnehmen und die Ränder verbrennen sollte.»
Die beiden lernten sich kennen und
sie sprachen viel über Gott. Schritt für Schritt verliebten sie sich ineinander. Das «Ja»-Wort gab
sie am Telefon.
Gott der zweiten Chance
Cyntoias Geschichte weckte das
Mitgefühl von Menschen auf der ganzen Welt, und Anhänger begannen den Hashtag «#FreeCyntoia»
zirkulieren zu lassen. Die Begnadigung erfolgte und im August 2019 kam sie als
freie Frau aus dem Gefängnis.
Viele Menschen hatten sich dafür
eingesetzt, «weil Gott es ihnen aufs Herz gelegt hat. Er ist ein Gott der zweiten Chance».
Heute engagiert sich Cyntoia als
Aktivistin gegen Menschenhandel, dazu gründete sie mit ihrem Mann die «Foundation
for Justice, Freedom, and Mercy», kurz «JFam
Foundation».
Sie will «allen anderen Cyntoias eine Stimme geben».