Nach seinem Tod

Ich setzte mich an sein Bett und spielte Gitarre...

Christa Webb

1988, als Simon und Christa heirateten, war Simon frei von jeglichen körperlichen Beschwerden. Christa war und blieb HIV-negativ. Dann, im neunten Ehejahr, traten bei Simon seltsame körperliche Symptome auf. Es begann mit c. Schliesslich musste er notfallmässig ins Spital eingeliefert werden. Dort fand man bei Simon das JC-Virus, das schlimmste Virus, das einen HIV-Positiven befallen kann. Es zerstört unaufhaltsam die Hirnzellen des Betroffenen.

Menschlich gesehen gab es keine Hoffnung mehr für Simon. Das war allen Beteiligten klar. Aber bei Gott gibt es immer Hoffnung! Daran hielt ich mich fest. Ich nahm Simon nach Hause, um ihn da zu pflegen. Innert kürzester Zeit verschlimmerte sich sein Zustand drastisch. Er hatte Lähmungserscheinungen, dann konnte er nicht mehr gehen, später auch nicht mehr sprechen. Simons Sterben war brutal.

Anfang September hatten wir die Diagnose der Ärzte erhalten. Am Abend des 9. Oktobers 1997 starb Simon und ging im Frieden heim zu seinem Gott. Ich hatte nie damit gerechnet, dass mein Mann sterben würde. Die ganze Zeit über war ich fest davon überzeugt, dass Gott ihn heilt. Jetzt stand ich plötzlichan seinem Totenbett. Was nun? An diesem Abend traf ich eine wichtige Entscheidung. Ich sagte: "Okay, Herr, ich gehe mit dir weiter. Jetzt erst recht!" Ich schaute auf zu Gott, das war für mich das Wichtigste. Denn ich wusste, im Himmel herrscht keine Trauerstimmung, sondern Freude, Feiern und Sieg. Menschen, die Christus kennen, haben eine lebendige Hoffnung. Wir wissen, wo wir hingehen, wenn wir sterben: nach Hause zu unserem himmlischen Vater! Diese Zukunftshoffnung gab mir Mut. Ich wusste: Dort im Himmel ist jetzt auch Simon. Also sagte ich: "Gut, Simon ich freue mich mit dir!"

Das Leben nach Simons Tod

Man muss Simon gekannt haben, um zu wissen, dass auch er genau so geglaubt und gehandelt hätte. Das Letzte, was er gewollt hätte, wäre eine am Boden zerstörte Christa. Deshalb setzte ich mich ans Totenbett meines Mannes, nahm die Gitarre zur Hand und fing an Loblieder zu singen. In diesem Moment geschah etwas in mir: Tiefe Freude erfüllte mich. Jesus selbst füllte die Leere aus, die Simon in meinem Leben hinterlassen hatte.
"Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben mich scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist."
Bibel, Römer 8, Vers 38

Auch später, wann immer mich düstere Gedanken und Gefühle beschleichen wollten, tat ich dasselbe. Ich spielte und sang Loblieder, gemäss dem Bibelwort: "Wer Dank opfert, verherrlicht mich und bahnt einen Weg, ihn werde ich das Heil Gottes sehen lassen." (Psalm 50,23) Darum: "Lobe den Herrn, meine Seele!" Das wirkt jeweils wie Balsam. Ich entschied mich immer wieder dazu, mich zu freuen und Gott zu loben. Manchmal wollen Wehmut und Einsamkeit aufkommen, auch das Selbstmitleid meldet sich. Da hilft mir eine Gewohnheit. Ich höre mir sehr häufig Predigten auf Kassetten an. Dadurch haben sich wichtige Worte in mir eingeprägt. Ich höre z.B. immer wieder eine Stimme in mir, die sagt: "Hütet euch vor dem Selbstmitleid. Hütet euch vor dem Selbstmitleid!" Ich weiss, dass Selbstmitleid Sünde ist, weil ich mich dabei um mich selbst drehe und nicht mehr auf Gott schaue. Um im Selbstmitleid zu baden, brauche ich nicht erst den Ehepartner zu verlieren, auch viel unbedeutendere Umstände können Selbstmitleid auslösen. Aber ich liebe Jesus Christus, darum will ich ihn nicht durch Sünde betrüben. Simon und ich waren ein Jahr lang verlobt und neun Jahre verheiratet. Das waren zehn super Jahre, für die ich sehr dankbar bin. Ich schaue bewusst nicht zurück auf das, was vorbei ist, sondern ich "strecke mich aus nach dem, was da vorne ist" (Philipperbrief, Kapitel 3, Vers 13) und gehe den Weg weiter mit meinem Herrn Jesus Christus.

"Ich habe Simon losgelassen"

Es gab einen Zeitpunkt ganz kurz vor dem Tod meines Mannes, da wusste ich, dass ich Simon jetzt loslassen musste. Ich weiss nicht recht, wie ich das beschreiben soll. Es war ein geistlicher Kampf, und es war das Schwerste, was ich je in meinem Leben tun musste. Den geliebten Ehepartner, mit dem ich eins bin, innerlich loslassen -- ihn nicht aufgeben, denn er lebte ja noch, sondern loslassen. Gott überlassen. Ich weinte. Danach war eine innere Hürde überwunden. Ich glaube, dass dieses Loslassen für mich von zentraler Bedeutung war. Dadurch fiel ich nicht in einen bodenlosen Trauerschmerz, der kaum zu überwinden ist. Nicht alle meine Freunde haben mich verstanden. Im Gegenteil. Oft wurde mir prophezeit, dass ich noch in ein tiefes Loch fallen werde. Aber ich haben mir überlegt: Wann falle ich in ein Loch? Wenn ich nicht mehr auf den Herrn schaue. "Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt meine Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn." (Psalm 121,1) Ich konnte mich vor, während und nach Simons Tod immer ganz an Jesus Christus festhalten. Das hat mir Kraft gegebnen -- Hoffnung mitten in der Trauer.

Das Evangelium trägt

Ich weiss, dass meine Mitmenschen manchmal schockiert waren, weil ich nicht so trauerte, wie es ihren Vorstellungen entsprach. Aus der 'Trauerfeier' wurde ein Lobpreisgottesdienst. Denn Simon war heimgegangen zu seinem himmlischen Vater und dort lebt er ewig weiter. Ich kenne Jesus Christus, der von sich sagt: "Ich bin die Auferstehung und das Leben." Desshalb muss ich nicht so trauern, als gäbe es keine Hoffnung.

Ich habe Freunde, die sagen über mich, ich sei eine starke Frau. Nein, ich bin keine starke Frau. Aber ich habe einen starken Jesus. Jesus ist mein Fels, er ist meine Stärke, meine Kraft, mein Schild. Ich habe früh gelernt, mich auf das Wort Gottes zu verlassen. Auch im Unterricht sage ich den Kindern immer wieder, dass Gottes Wort das einzige ist, das nie vergehen wird. Für mich ist und bleibt das Evangelium von Jesus Christus die frohe Botschaft, auch wenn mein Mann nicht geheilt wurde, sondern starb. Jesus errettet, heilt und befreit heute noch! Eines weiss ich, und ich habe es erfahren: Das Evangelium trägt! Auch wenn der Lebensweg durch solch dunkle Täler führt, wie ich es mit dem Tod von Simon erlebt habe : Ich kann aus eigener Erfahrung unter das Evangelium von Jesus Christus den Stempel setzen: ES TRÄGT!

Christa Webb: "Ich war sehr rebellisch"

Von klein auf glaubte ich an die Existenz Gottes und von Jesus Christus. Ich betete sogar täglich. Meine Grossmutter, zu der ich eine sehr gute Beziehung hatte, erzählte mir von Jesus. Sie sagte mir, dass wir mit all unseren Anliegen direkt zu ihm gehen können. Gleichzeitig war ich sehr rebellisch. Ich ging zum Beispiel aus lauter Rebellion in die reformierte Kirche, obwohl meine Familie katholisch war. In dem kleinen Ort, wo ich aufgewachsen bin, fiel das auf, umso mehr, da meine Eltern ein Geschäft hatten. Ich weigerte mich auch, weiterhin den Religionsunterricht zu besuchen. Kurz, ich lehnte mich auf, wo ich konnte.

Schon sehr früh setzte ich mich mit dem Tod auseinander und mit der Frage, was danach kommt. Ich suchte nach dem Sinn des Lebens und fand ihn nicht. Es kam soweit, dass ich mir das Leben nehmen wollte. Meine Eltern wussten nicht mehr, wie umgehen mit mir. Sie schickten mich zu Ärzten und Psychiatern, alles ohne Erfolg. Ich fing an zu kiffen, war ausschliesslich schwarz angezogen. Sogar mein Zimmer tapezierte ich schwarz. Mein langes Haar verdeckte mein Gesicht, so dass man kaum ein Auge sah. Lachen sah man mich nie.

Ich traf einen alten Bekannten aus der Schulzeit. Wir diskutierten über Gott und die Welt. Er nahm mich mit in verschiedene Hausbibelkreise. Dort erzählte mir ein Ehepaar, wie sie Jesus Christus kennen gelernt hatten. Sie erklärten mir, dass man eine persönliche Beziehung zu ihm haben kann, indem man ihn als seinen Herrn annimmt. Da wusste ich: "Diesen Jesus brauche ich auch."
An jenem Abend kniete ich zuhause nieder und übergab mein Leben Jesus. Ich war 18 Jahre alt. Von da an veränderte Jesus Christus mein Leben Schritt für Schritt, und er tut es auch heute noch. Bis dahin war ich oft lebensmüde gewesen. Nun hatte ich DAS LEBEN in mir. Plötzlich sah ich einen Sinn. Ich wusste, jetzt lebe ich für Jesus. Er hat einen Plan für mein Leben. Ich hatte auf einmal Freude. Auch lernte ich mich anzunehmen, wie Gott mich gemacht hat. Durch die Liebe Gottes konnte ich auch meinen Eltern sagen, dass ich sie liebe. Mit Gottes Hilfe schloss ich später die Handelsschule mit KV-Abschluss ab. Ich hatte vorher immer wieder Schulen angefangen und abgebrochen. Ich habe Gottes verändernde Kraft innerlich und äusserlich erlebt. Dafür bin ich meinem Herrn und Heiland sehr dankbar.

Datum: 27.03.2002
Quelle: Bordzeitung - Texte zum Leben

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